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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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die Zeichenschichten seiner Selbstverästelungen dringen. „Kann es sein, dass das lange Leben eines Enthravanen ohne den Lebensschlaf zwischen verschiedenen Verkörperungen dazu führt, dass sich die Personen verwischen, das man das eine Individuum mit dem anderen verwechselt?“
    „Nein, Darachel, ich spreche von dir.“ Cenn-Vekanens Miene war finster geworden und er durchbohrte Darachel mit seinem Blick. „All das, was seit unserer Zustimmung, den Adamainra hier in Himmelsriff aufzunehmen, geschehen ist, was mit dir vorgegangen ist, wirft erneut die Frage auf, ob du vielleicht ein Irrgeist bist.“
    „Das ist, wie schon beim ersten Mal, als du mich dessen verdächtigtest, eine harte, eine unerhörte Anschuldigung.“
    „Das weiß ich, Darachel. Aber mir als Enthravanen obliegt das Wohl unserer Gemeinschaft. Das bedeutet, dass es meine Pflicht ist, mir unerfreuliche Fragen zu stellen und harte Entscheidungen zu treffen.“
    Darachel sah Cenn-Vekanen durchatmen. Sein Gesicht blieb hart und ausdruckslos. Seine Zeichenschichten waren ein einziger Schildwall, die all seine Regungen in die Nachbarschichten hinein verbargen.
    „Wenn dem so ist“, sagte er, „wenn du ein Irrgeist sein solltest, dann musst du als solcher identifiziert werden. Dann ist dein Weg von der Gemeinschaft der Ninraé getrennt. Du weißt, was das heißt?“
    Darachel schwieg. In seinem Innern kämpften Zorn und Wellen kalter aufsteigender Panik gegeneinander. Er dachte an seinen Vater und den Schmerz, den sein Weggang bei ihm hervorgerufen hatte.
    „Es heißt“, fuhr Cenn-Vekanen fort, „ dass du aus Himmelsriff und aus der Gemeinschaft der Ninraé verbannt wirst. Wenn du ein Irrgeist bist, musst du aus dem Fleisch unserer Gemeinschaft herausgeschnitten werden. Es heißt, dass du eine Deviation, eine Abweichung vom allgemeinen Entwicklungszweig darstellst, so wie die Irrgeister früherer Generationen und die Wanderer der Silaé. Mehr noch: Anders als sie, wirst du allein sein. Du wirst niemandem mehr angehören, und niemand wird dir mehr angehören. Das Rad der Wandlung in dir zerbricht. Du wirst aus dem Plan der Welt ausgestoßen sein.“
    Darachels Hände bebten, und er hatte Mühe, seine Arme an seinem Körper zu halten und nicht geradewegs auf Cenn-Vekanen loszugehen und ihm die Hände um seine Kehle zu legen.
    „Wie kannst du es wagen“, fuhr er auf, „mir so etwas ins Angesicht zu –“
    „Ich kann es wagen“, unterbrach ihn Cenn-Vekanen mit lauter, scharfer Stimme, „weil ich ein Enthravan bin, der das Wohl der Gemeinschaft im Auge behalten muss. Ich kann es wagen, weil ich dich warnen will. Bevor du etwas tust, was ernste Konsequenzen hat.“ Die Worte hallten im engen, kluftartigen Raum zwischen den Regalwänden wieder.
    Darachel spürte, wie Auric hinter ihm sich regte.  
    Das war es vielleicht, was ihn davon abhielt, in diesem Moment auf den Enthravanen loszugehen. Der Gedanke, den Vai-Gaijar, davon abhalten zu müssen, etwas Unbesonnenes zu tun, brachte ihm zu Bewusstsein, was zu tun, er selber auf der Schwelle stand.
    „Und jetzt geh“, hörte er Cenn-Vekanen sagen, während es in seinem Kopf brauste und rauschte. „Geh mit dem Adamainra in die allgemeinen Bereiche der Bibliothek und zeige ihm, was du mir gesagt hast, dass du ihm zeigen wolltest. Aber nicht mehr. Verlasse mit ihm diese abseitigeren Bereiche unserer Bibliothek, in denen er nichts zu suchen hat. Halte dich an das, was dem Wissenskreis der Adamainraé entspricht.“
    Darachel musste ein paar Mal mühsam durchatmen, bis das Blut wieder normal durch seinen Körper pulste. Er musste besonnen handeln. Alles andere würde ernste Folgen haben. Er durfte nicht nur an sich, er musste auch an die anderen des Neuen Rings denken, durfte nicht mit einer durch seine Wut hervorgerufene, impulsive Handlung das Augenmerk der Gemeinschaft auf sie lenken und sie alle zu einem schrecklichen Schicksal verurteilen.
    „Ich werde mit Auric Torarea Morante fortgehen“, sagte er schließlich. „Aber das, was hier geschehen ist, wird Konsequenzen haben.“
    Cenn-Vekanen blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen.  
    „Ich hoffe inständig, dass das nicht der Fall sein wird“, sagte er.

    „Was war da los?“, fragte Auric ihn, nachdem sie sich von Cenn-Vekanen entfernt hatten. „Ich habe fast nichts davon verstanden, was ihr gesagt habt.“
    „Wir haben wohl etwas schnell geredet“, entgegnete Darachel ihm, während er voranschritt und versuchte seinen Schritt zu

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