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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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über die Rollbahn mit den endlosen Reihen blinkender Lichter donnerte und die Luft gegen die aufgestellten Landeklappen drückte. Wir kamen so abrupt zum Stehen, daß es mir unbegreiflich schien, wie so etwas physikalisch überhaupt möglich war, und ich fragte mich, ob die Piloten das womöglich übten.
    »Hossa«, sagte einer von ihnen fröhlich.

Kapitel 15
    Dugway ist so groß wie Rhode Island. Zweitausend Menschen leben auf der Basis. Aber als wir um halb sechs Uhr morgens ankamen, war es stockfinster. Laurel übergab uns an einen Soldaten, der uns in einen Lkw setzte und in eine Unterkunft fuhr, wo wir uns ausruhen und frischmachen konnten. Zum Schlafen war keine Zeit. Die Maschine würde noch am gleichen Tag wieder abfliegen, und wir mußten an Bord sein. Lucy und ich checkten ins Antelope Inn ein, gegenüber vom Community Club. Wir bekamen ein Zweibettzimmer im ersten Stock, ganz und gar in Blau eingerichtet, mit hellem Eichenholz und Teppichboden. Es bot einen Blick auf eine Rasenfläche und die Kasernen dahinter, in denen mit dem nahenden Morgengrauen bereits nach und nach die Lichter angingen.
    »Weißt du, eigentlich hat es keinen Sinn zu duschen, schließlich müssen wir ohnehin wieder dieselben dreckigen Sachen anziehen«, sagte Lucy, während sie sich auf ihrem Bett ausstreckte.
    »Du hast vollkommen recht«, stimmte ich ihr zu und zog mir die Schuhe aus. »Macht es dir was aus, wenn ich diese Lampe ausschalte?«
    »Im Gegenteil.«
    Das Zimmer war dunkel, und plötzlich war mir nach Herumalbern zumute. »Das ist ja wie bei einer PyjamaParty.«
    »Ja, aber einer ziemlich gruseligen.«
    »Weißt du noch, wie du mich immer besucht hast, als du noch klein warst?« sagte ich. »Manchmal sind wir die halbe Nacht aufgeblieben. Nie wolltest du einschlafen, immer sollte ich dir noch eine Geschichte vorlesen. Du hast mir den letzten Nerv geraubt.«
    »Soweit ich mich erinnere, war es genau andersrum. Ich wollte schlafen, und du hast mich einfach nicht in Ruhe gelassen.«
    »Stimmt ja gar nicht.«
    »Weil du ganz vernarrt in mich warst.«
    »Gar nicht wahr. Ich konnte es kaum ertragen, mit dir im selben Raum zu sein«, sagte ich. »Aber ich hatte eben Mitleid mit dir.«
    Ein Kissen segelte durch die Dunkelheit und traf mich am Kopf. Ich warf es zurück. Lucy hechtete von ihrem Bett auf meins, aber dann wußte sie nicht recht, was sie dort sollte, denn sie war nicht mehr zehn, und ich war nicht Janet. Sie stand auf, ging wieder zu ihrem Bett zurück und schüttelte geräuschvoll die Kissen in ihrem Rücken auf.
    »Du hörst dich an, als würde es dir schon viel besser gehen«, sagte sie.
    »Besser schon, aber nicht viel. Ich werd's überleben.«
    »Tante Kay, was wirst du Bentons wegen unternehmen? Du scheinst nicht mal mehr an ihn zu denken.«
    »O doch, das tue ich«, antwortete ich. »Aber in letzter Zeit sind mir die Dinge ein wenig über den Kopf gewachsen, um es vorsichtig auszudrücken.«
    »Das sagt jeder, der eine Ausrede braucht. Mir machst du nichts vor. Ich hab' mir das mein Leben lang von meiner Mutter anhören müssen.«
    »Von mir aber nicht«, sagte ich.
    »Das meine ich ja. Wie soll das mit euch beiden weitergehen? Du könntest ihn heiraten.«
    Schon bei dem Gedanken wurde mir ganz anders. »Ich glaube nicht, daß ich das kann, Lucy.«
    »Warum nicht?«
    »Vielleicht bin ich in meinen Gewohnheiten zu eingefahren. Ich kann mich nicht mehr umstellen. Das wäre einfach zuviel verlangt.«
    »Du mußt dein Leben doch auch mal genießen.«
    »Ich finde schon, daß ich das tue«, sagte ich. »Aber möglicherweise nicht auf die Art und Weise, wie man es von mir erwartet.«
    »Du hast mir immer gute Ratschläge gegeben«, sagte sie.
    »Vielleicht bin ich jetzt mal dran. Und ich finde, daß du nicht heiraten solltest.«
    »Und warum nicht?« Ich war eher neugierig als überrascht.
    »Ich glaube nicht, daß du Mark jemals wirklich begraben hast. Und bevor das nicht geschehen ist, solltest du nicht heiraten. Das wäre dann nämlich nichts Halbes und nichts Ganzes, verstehst du?«
    Plötzlich wurde ich traurig, und ich war froh, daß sie mich in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Zum erstenmal sprach ich mit ihr wie mit einer vertrauten Freundin.
    »Ich kann ihn immer noch nicht vergessen, und vermutlich werde ich das auch nie«, sagte ich. »Ich schätze, er war meine erste große Liebe.«
    »Das Gefühl kenne ich«, erwiderte meine Nichte. »Ich habe Angst, wenn etwas passiert, könnte es auch für mich

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