Der Kelim der Prinzessin
das
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Kamel zur Ader gelassen - immer in der Sorge, die Karawane aus Täbriz könnte im letzten Moment einen anderen Weg einschlagen. Naiman war zäh, er vertraute keinem mehr als sich selbst, weswegen er auch viel Mühe und viele Geschenke aufgewandt hatte - das Umsichwerfen mit Goldstücken hätte ihn verdächtig gemacht und höchstens die Aufmerksamkeit von Räubern erregt -, um alle Reisenden aus dem Nordosten eingehend zu befragen, bis er schließlich in Erfahrung gebracht hatte, dass die Gesuchten sich wahrscheinlich einer Teppichkarawane angeschlossen hätten, die ein Geschenk für den Il-Khan mit sich führte.
Seine Ausdauer war belohnt worden: Roc und Yeza lebten also noch, so ärgerlich es ihm war, wenigstens dieser Zweifel war nun ausgeräumt! Dass die beiden ihn nicht wieder erkannten, verschaffte ihm eine zusätzliche Befriedigung, seine Tarnung war eben perfekt! Jetzt musste er nur noch diese Beduinen dazu bringen, das Königliche Paar als Bedrohung anzusehen, er musste sie gegen Rog und Yeza so aufhetzen, dass sie zu ihren Dolchen griffen - oder die beiden zumindest barfuss in die Wüste jagten, wo sie dann grässlich umkommen würden ...
MELDEREITER PRESCHTEN VOR. Das Heer der Mongolen fächerte weit auseinander, kaum, dass die
Vorausabteilungen die Ebene erreicht hatten, während die Nachhut im Abstieg innehielt und absichernd die Berghänge besetzte. Die Kriegsmaschine kam zum Stehen.
Yves der Bretone hatte sich im Gefolge Kitboghas einreihen müssen und wurde erst zum Oberbefehlshaber vorgelassen, als dessen Zelt in Windeseile aufgeschlagen war. Der französische Gesandte konnte nicht umhin, diesem reibungslosen, präzisen Mechanismus insgeheim Bewunderung zu zollen. Denn das alles geschah in größter Schweigsamkeit, kaum, dass Kommandorufe zu hören waren. Die Befehle wurden durch Flaggensignale weitergegeben, ebenso wie ihre erfolgte Ausführung stumm zurückgemeldet wurde. So erging auch die Aufforderung an die >Bewacher<, den Gesandten jetzt zu dem berühmten Kriegsherrn zu geleiten.
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Kitbogha, für die meist kleinwüchsigen Mongolen ein Hüne von einem Mann, mit bartlosem bronzefarbenem Gesicht, das in seiner gutmütigen faltigen Fleischigkeit den Bretonen an die riesigen Hütehunde rund um das Kloster des heiligen Bernhard auf der Passhöhe in den Seealpen erinnerte, empfing den Gast im kurzärmeligen Wams vor seinem Zelt und bot ihm als Willkommenstrunk nicht - wie zu erwarten - Kumiz an, sondern einen Becher Wein. Yves achtete beim Betreten des Zeltes sorgsam darauf, nicht auf die Schwelle zu treten, was den Mongolen als böses Omen galt und unerfreuliche Folgen zeitigen konnte. Dem Bretonen lag nichts daran, wegen eines solchen faux pas seinen Kopf zu verlieren, und so saßen sich die beiden Herren nach Austausch der üblichen Begrüßungsfloskeln endlich gegenüber und fixierten sich mit freundlichem Lächeln. Yves selbst war hager von Gestalt, sein Schädel kantig und seine Züge scharf geschnitten wie die eines Greifvogels. Das Auffälligste an ihm waren seine überlangen, muskulösen Arme, und da er seinen kräftigen Brustkorb meist vornübergeneigt hielt, wirkten sie wie die eines Primaten. Dass er sich der physischen Bedrohung, die von ihm ausging, im Innersten schämte, war höchstens aus den tieftraurigen Augen zu schließen. Er war kein schöner Mann und keiner, der in seinem Kriegerdasein viel Liebe empfangen hatte.
»Wisst Ihr«, eröffnete der alte Feldherr seufzend das Gespräch, »wo wir die Kinder finden können?« Kitbogha erwartete eigentlich keine Antwort und fuhr fort. »Ihr Fehlen durchkreuzt den Plan unseres Herrscherhauses, sie als Friedenskönige in dem Teil der Welt einzusetzen, dessen Eroberung jetzt vor uns liegt.«
Dem Bretonen lag jetzt nicht daran, die Vorgaben des Il-Khan als solche infrage zu stellen, obgleich die Mongolen von der, seiner Meinung nach irrigen, Vorstellung ausgingen, dieser >Rest der Welt< würde sich ihnen willig unterwerfen. So griff er lediglich die Eingangsfrage auf, die Kitbogha wohl nur als vorübergehendes Missgeschick betrachtete: Das >verschwundene< Königliche Paar.
»Es gibt im Leben von Roc und Yeza nur eine Figur, die Ihr immer wieder an ihrer Seite finden werdet, das ist dieser William von Roebruk!« Yves ließ keinen Zweifel über seine Wertschätzung
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des Minoriten aufkommen. »Der Franziskaner ließ sich noch nie lange abschütteln, er hängt ihnen an der Kehle wie ein Frettchen dem Kaninchen! Besorgt Euch
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