Der Kelim der Prinzessin
Mann!«
»Wichtigeres als das Schicksal von Roc Trencavel und seiner Prinzessin Yeza kann es nicht geben!«, empörte sich William. »Treuloses Pack! Blutsbrüderschaft hat Bohemund, der junge Fürst, dem Königlichen Paar dereinst geschworen!«
Lorenz belächelte den Ausbruch. »Es gibt keinen Grund, die Sache zu überstürzen, denn wahrscheinlich liegt dem Königlichen Paar zurzeit wenig daran, gerade jetzt aufzutauchen und sofort den Mongolen in die Hände zu fallen«, sann der Herr von Orta mit leiser Stimme. »Vielleicht wollen sie - nach all den bitteren Erfahrungen -
gar nicht mehr als Paar auftreten, dem alle Konflikte aufgehalst werden, die Ost und West, Islam und Christentum zu lösen sich nicht in der Lage sehen, diese Last eines Königtums des ewigen Friedens in einer Welt, die nur auf Krieg, Unterdrückung und Machterweiterung aus ist«, gab der alte Herr zu bedenken, wenn er auch mehr zu sich sprach.
»Ich will ja nur wissen, wo ich sie finden kann?«, warf William kleinlaut ein »Zu ihnen eilen, ihnen zur Seite stehen, sie brauchen mich!« Davon war er selbst nicht ganz überzeugt, sodass Lorenz das Anerbieten übergehen konnte.
»Jeder Diener des >Großen Plans<«, rief er den Verstörten zur Ordnung, »hat jetzt vor allem an dem Platz zu stehen, der ihm zugewiesen!« Lorenz fügte als geübter Prediger zum Pathos noch die Strenge. »Dir, William, wurde auferlegt, die Geschichte von Roc und Yeza niederzuschreiben - und zwar von Anfang an!«
»Aber die ist ja nun noch nicht zu Ende!«, begehrte William auf. »Der Mutter Gottes sei Dank! Allein schon aus dem Grund sollte ich unverzüglich - «
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Der Weißhaarige unterbrach ihn schroff. »Hier sollst du deine Arbeit fortführen, William!«, befahl er streng.
»Mit einer Gewissenhaftigkeit, an der du es bis jetzt gewaltig hast fehlen lassen!« William klappte zusammen wie ein Faltstuhl. »Nur deswegen haben wir dich an diesem lieblichen Ort einquartiert!« Der rundliche, um nicht zu sagen ziemlich dickliche Chronist dauerte seinen feingliedrigen Zuchtmeister. »Sollten wir dich andersorten brauchen, werden wir es dich rechtzeitig wissen lassen!«
Der Besucher hatte sich erhoben, die Dämmerung legte sich über die Stadt, die flach einfallenden Strahlen der Sonne warfen lange Schatten, ihr Licht vergoldete die Steine. »Es ist ja nicht einmal gesagt«, fügte er abmildernd hinzu, »dass an dem Gerücht etwas dran ist. König Hethum von Armenien traf kurz vor meiner Abreise bei seinem Schwiegersohn, dem Fürsten Bohemund, ein. Auf seiner gesamten Reise durch den Norden hatte der Monarch nichts dergleichen vernommen.«
Das gereichte William kaum zum Trost, er bockte. »Der Armenier scheißt sich doch in die weiten Pluderhosen, wenn es um die anrückenden Mongolen geht, da will der Feigling schon gar nichts von den armen Kindern wissen.«
»Mehr und mehr erinnerst du mich an eine feiste, weinerliche, alte Amme«, unterbrach ihn Lorenz bissig, »die das Drehen des Rades, das Fortschreiten der Jahre nicht mehr mitbekommt! Die du immer noch als >deine Kleinen< siehst, an deinen schwabbeligen Busen zu drücken suchst, haben längst ein Alter erreicht, in dem andere schon selber Kinder zeugen oder gebären.« Diese Zurechtweisung gefiel William noch weniger.
Unverständliches maulend, wollte er sich in sein Turmgemach zurückziehen, doch sein gestrenger Besucher hielt ihn am Ärmel seiner Kutte fest. »Wenn dir so viel an Roc und Yeza liegt«, legte er unnachsichtig dem Verwirrten nahe, »dann schreib sie herbei!« Der Secretarius senkte seine Stimme, als ginge es um ein großes Geheimnis. »Die Macht des geschriebenen Wortes hat schon Tote wieder zum Leben erweckt.« Damit ließ er William stehen und schritt von dannen.
Der Mönch schaute ihm nach, beeindruckt, aber vor allem ziemlich verstört. Er verspürte wenig Lust, seine Arbeit wieder auf-34
zunehmen, hatte er sich doch mit schmerzendem Herzen innerlich von ROQ und Yeza verabschiedet, und jetzt stand alles wieder infrage! Sein eigenes Schicksal, das wohl untrennbar an das der Kinder gekettet war, lag plötzlich vor ihm wie ein unbeschriebenes Blatt, zu dem ihm nochmals der erste Satz einfallen musste, wo er sich gerade erst zu einem zwar wehmütigen, aber würdigen Abschluss der Chronik durchgerungen hatte. Er seufzte tief, schon aus Mitleid mit sich selbst. Das Problem waren weniger die Mongolen, sondern die Pläne, die sie mit dem Königlichen Paar hatten.
Doch beim Hinaufsteigen der
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