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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Sie mag sich an vielen Orten befunden und alles mögliche enthalten haben, bevor sie auf den Markt von Tripoli gelangte.«
    »Aber ein Buch, das darin lag, hätte solche Laschen nicht gebraucht«, wendete sie mit wachsendem Interesse ein. »Es hätte flach gelegen. Und für sich allein. Für mehr als ein Buch reicht der Platz nicht aus.«
    »Richtig. Aber Bücher wie Schatullen können viele Meilen zurücklegen und auf vielerlei Art aufbewahrt werden, bevor sie zusammengeraten und das eine im anderen Platz findet.
    Diesem abgerissenen Stückchen nach zu urteilen hat die Schatulle zweifellos einst ein Buch enthalten, wenn auch nur eine Zeitlang. Vielleicht bewahrten die Mönche, die sie verkauften, ihr Brevier darin auf. Von dem Buch selbst wollten sie sich vielleicht nicht trennen, auch wenn sie Not litten. In ihrem Kloster mag es eines von vielen in einer Truhe gewesen sein, und sie konnten nicht alle mitnehmen, als die Horden aus Mosul sie vertrieben.«
    »Die Lasche ist ziemlich abgegriffen.« Fortunata setzte ihre Erkundung fort und befingerte das ausgefranste Ende des dünnen Pergaments. »Das Buch muß genau hineingepaßt haben, sonst wäre das Stückchen nicht abgerissen.«
    »Leder hält nicht ewig«, sagte Girard. »Wenn oft damit hantiert wird, kann es sich in trockenen Staub auflösen. Und Gebetbücher werden ständig benutzt. Unter der ständigen Bedrohung durch die Mamelucken aus Mosul hatten die armen Seelen von Edessa kaum Gelegenheit, neue Abschriften ihrer Gebetbücher herzustellen.«
    Cadfael hatte nachdenklich damit begonnen, die Filzbeutel mit den Münzen wieder in die Schatulle zurückzupacken.
    Vorher war er noch einmal mit einem Finger über das Pergament gefahren und hatte die Fingerspitze im Licht der Sonne betrachtet. Die nahezu unsichtbaren Goldkörnchen fingen das Licht ein, wurden sekundenlang sichtbar und verschwanden dann wieder, als er die Hand bewegte. Girard klappte den Deckel zu und drehte den Schlüssel um; dann ergriff er die Schatulle und klemmte sie unter den Arm. Cadfael hatte die Beutel fest zusammengedrückt, um zu verhindern, daß sie sich bewegten, trotzdem hörte er, als die Schatulle gekippt wurde, das schwache Klirren der Silberpennies.
    »Habt Dank dafür, daß Ihr mir ein so schönes Stück Handwerksarbeit gezeigt habt«, sagte Anselm mit einem leisen Aufseufzen. »Es ist das Werk eines Meisters, und Ihr könnt Euch glücklich schätzen, es zu besitzen. Master William hatte ein Auge für Qualität.«
    »Das habe ich ihr schon gesagt«, pflichtete Girard ihm bei.
    »Wenn sie sich einmal davon trennen will, dann wird es ihr zusätzlich zu dem, was darin steckt, noch ein hübsches Sümmchen einbringen.«
    »Es könnte mehr einbringen als die Summe, die es enthält«, sagte Anselm ernsthaft. »Ich frage mich, ob die Schatulle vielleicht für eine Reliquie angefertigt wurde. Das Elfenbein deutet darauf hin. Natürlich konnte sie auch einem ganz anderen Zweck dienen, und der Hersteller hatte einfach nur Freude daran, sein Werk auszuschmücken, für welchen Zweck es auch bestimmt war.«
    »Ich begleite Euch zum Torhaus«, sagte Cadfael. Er schüttelte seine Nachdenklichkeit ab, als sich Girard und Fortunata von Bruder Anselm verabschiedeten. Während sie den nördlichen Kreuzgang entlangschritten, gesellte er sich zu Girard; Fortunata ging ein oder zwei Schritte vor ihnen, den Blick auf die Pflastersteine des Weges gesenkt, mit geschlossenen Lippen und zusammengezogenen Brauen, weit weg in der verschlossenen Welt ihrer eigenen Gedanken. Erst als sie den großen Hof überquert hatten und sich dem Tor näherten und Cadfael stehenblieb, um sich von ihnen zu verabschieden, drehte sie sich um und sah ihn an. Ihre Augen fielen auf einen Gegenstand, den er nach wie vor in der Hand hielt, und plötzlich lächelte sie.
    »Ihr habt vergessen, den Schlüssel zu Elaves Zelle zurückzubringen. Oder«, sagte sie, wobei sich ihr Lächeln vertiefte und sich von ihren Lippen bis zu den Augen ausbreitete, »denkt Ihr etwa daran, ihn herauszulassen?«
    »Nein«, sagte Cadfael, »ich denke daran, mich hineinzulassen. Es gibt da einiges, über das ich mit Elave sprechen muß.«
    Inzwischen hatte Elave die abweisende, fast aggressive Miene abgelegt, mit der er anfangs jedem begegnet war, der seine Zelle betrat. Niemand besuchte ihn regelmäßig außer Anselm, Cadfael und dem Novizen, der ihm sein Essen brachte, und mit ihnen allen stand er jetzt auf erstaunlich vertrautem Fuß. Das Geräusch des

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