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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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bewegt, als ich sie zum ersten Mal hielt. Was ich in den Händen hatte, hätte ein massives Stück Holz sein können. Das ist jetzt anders. Ich bezweifle, daß irgendwelche jetzt beiseitegelegte Filzumhüllungen das Klirren der Münzen, die sich jetzt darin befinden, völlig hätte verhindern können, denn ich habe sie gerade selbst wieder eingepackt – sechs kleine Filzbeutel, fest zusammengerollt und dicht an dicht liegend, und dennoch hörte ich sie klirren, als die Schatulle aufgehoben und getragen wurde. Nein, Ihr habt Euch nicht geirrt. Die Schatulle ist jetzt leichter als zuvor, und sie hat die Solidität eingebüßt, die sie früher hatte.«
    Elave schwieg einen langen Moment. Er akzeptierte Cadfaels Ausführungen, war sich aber über ihre Bedeutung nicht sicher.
    »Ich begreife nicht«, sagte er langsam, »welchen Sinn es haben soll, diese Dinge zu wissen oder auch nur über sie nachzudenken. Was spielt das schon für eine Rolle? Selbst wenn das alles zutreffen sollte, was könnte der Grund dafür sein? Es lohnt sich nicht, so ein kleines Geheimnis zu lösen.
    Niemand hat einen Nutzen oder Schaden davon, ob wir es nun ergründen oder nicht.«
    »Alles, was nicht das ist, was es zu sein scheint, und nicht das, was es eigentlich sein sollte«, sagte Cadfael entschlossen, »muß von Bedeutung sein. Und solange ich nicht weiß, wie diese Bedeutung aussieht, zumal sie verbunden ist mit Mord und Bosheit, kann ich die Frage nicht auf sich beruhen lassen.
    Gott sei Dank steht jetzt fest, daß Ihr mit Aldwins Tod nichts zu schaffen hattet. Aber irgend jemand hat ihn ermordet. Und was immer er getan und welche Fehler er begangen hat, ihm wurde Schlimmeres angetan, und er hat ein Recht darauf, daß sein Mörder gefunden wird. Ich gebe zu, es war nur natürlich, daß die meisten Leute glaubten, sein plötzlicher Tod hätte mit Euch zu tun und den Anschuldigungen, die er gegen Euch vorbrachte. Aber ist jetzt, da Eure Unschuld erwiesen ist, nicht auch dieses Motiv hinfällig geworden? Wer sonst hätte Veranlassung gehabt, ihn umzubringen? Muß man da nicht nach einem anderen Grund suchen, der nichts mit Euch und Euren Problemen zu tun hat, aber dennoch etwas mit Eurer Heimkehr? Aldwin starb kurz nach Eurem Eintreffen. Und alles, was in den paar Tagen seit Eurer Rückkehr merkwürdig ist, wofür es keine Erklärung gibt, kann durchaus von Bedeutung sein.«
    »Und die Schatulle ist mit mir eingetroffen«, sagte Elave und folgte damit dem Gedanken bis zu seinem logischen Ende.
    »Und an der Schatulle ist etwas merkwürdig, und es gibt dafür keine Erklärung. Es sei denn, Ihr wollt mir jetzt sagen, daß Ihr eine Erklärung dafür habt.«
    »Eine mögliche, ja. Ihr müßt wissen – wir haben uns gerade die Schatulle genauer angesehen, ohne die Beutel mit den Pennies, von innen und außen. Auf der Pergamentauskleidung des Bodens finden sich Spuren von Blattgold, zu einem feinen Staub zerfallen, aber im Licht deutlich zu erkennen. Und auf dem dunkel elfenbeinfarbenen Pergament liegt ein ganz leichter bläulicher Reif, wie auf einer Pflaume. Ich glaube, und auch Bruder Anselm glaubt es, obwohl wir noch nicht darüber gesprochen haben, daß es sich dabei um den feinen Abrieb eines weiteren, purpurn gefärbten Pergaments handelt, das einst ständig daraufgelegen hat. Und in einer Ecke eingeklemmt fanden wir ein Stückchen purpurfarbenes Pergament, abgerissen von einer Lasche, wie wir sie an den Rücken von Büchern anbringen, die in unserer Bibliothek in Truhen aufbewahrt werden.«
    »Ihr wollt damit sagen«, sagte Elave nachdenklich und mit geweiteten Augen, »daß das, was die Schatulle irgendwann einmal enthielt, ein Buch war – oder Bücher. Ein Buch, das sich früher zwischen anderen in einer Truhe befand. Das könnte sein, aber ist es jetzt für uns von irgendwelchem Belang? Das Ding ist alt, es könnte für alles mögliche benutzt worden sein, seit es angefertigt wurde. Es könnte hundert Jahre her sein, seit es ein Buch enthielt.«
    »Das könnte es«, pflichtete Cadfael ihm bei, »wenn da nicht diese eine Sache wäre. Daß wir beide, Ihr und ich, die Schatulle erst vor fünf Tagen in der Hand hielten und heute wieder, und dabei festgestellt haben, daß sie jetzt leichter ist, sich anders anfühlt und mit etwas gefüllt ist, das hörbar klirrt, wenn sie gekippt oder geschüttelt wird. Was ich damit sagen will, Elave, ist, daß das, was sie nicht vor hundert Jahren, sondern vor nur fünf kurzen Tagen, am zwanzigsten Tag

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