Der Killer im Lorbeer
besser.«
»Was sagt der Arzt?«
»Das Herz. Darauf ließ schon Mrs Gaunts Pillensammlung schließen. Aber das ist nur das Symptom. Sie ist seit Jahren in Behandlung.«
»Weshalb?«
»Sie suchen immer noch danach. Die Frau leidet unter einer extremen Berührungsempfindlichkeit. Sie fühlt ein ständiges Kribbeln, mal ist ihr kalt, dann wieder heiß.«
»Seltsam.«
»Die haben sie auf alles getestet, Diabetes, Durchblutungsstörungen, sogar auf Arteriosklerose. Unterm Strich ist Mrs Gaunt eine hochempfindsame, zerbrechliche Person.«
»Wie geht es ihr?«
»Die Anfälle sind meist von kurzer Dauer. Ihr Mann tauchte nur Minuten später im Krankenhaus auf. Er war rührend besorgt, hat uns nicht mal Vorwürfe gemacht, dass wir seine Emily zu scharf angefasst hätten.« Rosy lehnt sich zurück. »Puh. Ziemlich mächtig, deine Lasagne.«
Sie hat recht. Ich bin selbst nicht zufrieden, vor allem mit der Bechamelsauce. So etwas passiert mir meistens dann, wenn ich es besonders schmackhaft für Rosy machen will. Dann schwimmen meine Braten im Fett, meine Saucen sind zu mehlig, meine Salate haben zu viel Zwiebel.
Sie streckt sich. »Hoffentlich kann ich nach dem Essen schlafen.«
»Ein Whisky?«
Bevor sie einen Einwand vorbringt, bin ich am Regal und hole die Flasche.
»Wie geht es deinem Lorbeer, Arthur?« Rosy stellt die Teller zusammen.
»Der hat auch Schaum vor dem Mund«, antworte ich seufzend. »Bildlich gesprochen.« Ich gieße uns ein. »Von dem vielen Gift hat sich an den Zweigen ein blaues Sekret gebildet.«
»Und die Wirkung ist –?«
»Negativ. Die Laus lebt munter weiter.« Wir stoßen an und trinken. Ich nehme Rosys Hand und will sie nach drüben ziehen.
»Nein, Arthur. So kann ich unmöglich ins Bett. Ich muss noch mal raus.«
»Du warst den ganzen Tag auf den Beinen.«
»Nur ein kleiner Verdauungsspaziergang. Kommst du mit?«
Ich senke den Blick auf meine Socken. »Ich mag nicht. Mir ist kalt.«
»Hättest du die Kalorienbombe nicht serviert, würde ich sofort mit dir unter die Decke steigen.«
»Und wenn wir im Bett ein bisschen Sport treiben?«
Sie grinst. »Lieber einen Spaziergang.« Schlüpft in ihre Schuhe.
»Na schön.« Ich nehme die Gartenpantoffeln, meine Jacke und den Schlüssel.
»Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass du deine Schlafanzughose trägst?«, sagt sie an der Tür.
»Ich trage eine karierte Hose. Welchen Dresscode bevorzugst du denn für einen Verdauungsspaziergang?«
»Ich soll mit einem Pyjamamann durch die Stadt laufen?«
»Das ist Liebe.« Wir treten ins Freie.
Die Treppe hat sich seit letzter Nacht verändert. Sie ist ein Tatort geworden. An der Stelle, wo der spurensichernde Onkel seine Marker platziert hat, bleibe ich stehen. Hier hat ein Mensch einen anderen Menschen in die Tiefe gestürzt.
»Komm weiter.« Rosy läuft voraus.
Mit den Pantoffeln komme ich nur langsam hinterher.
Sie erwartet mich beim Volvo. »Morgen ist Einkaufstag.« Sie lächelt bittend. »Könntest du vielleicht –?«
Rosy hat seit Wochen nicht eingekauft. Mir ist es ohnehin lieber, wenn ich das mache. Sie rast ja doch nur zwischen den Regalen hindurch und schnappt sich das Erstbeste. Ihr fehlt die Zeit, auf Sonderangebote zu achten oder nachzusehen, ob der Fenchel braune Stellen hat. Ich mag Supermärkte, bis auf die Berieselungsmusik.
»Ist doch klar.« Ich hake sie unter, wir traben los.
Genau genommen ist Trench keine schöne Stadt. Es gibt wohl historische Bauwerke, alte Gassen, typische Cottagesiedlungen. Aber gerade dann, wenn man sich auf die Beschaulichkeit einlässt, taucht eine Monstrosität auf. Zum Beispiel die Thompson-Spange . Thompson war Bürgermeister in den Achtzigern, hirnkrank wahrscheinlich, sonst hätte er die Schnellstraße nicht mitten durch die Stadt gebaut. Nun kommt man zwar rascher nach Gloucester, dafür muss man unter hässlichen Betonpfeilern durchspazieren. Oder die weithin leuchtende Texaco-Tankstelle gegenüber von St. Martin’s . Acht Jahrhunderte lang erhob sich die Kirche würdig über dem Zentrum. Sie wurde mehrmals erneuert und erweitert, nicht immer stilsicher, wenn man das nördliche Querhaus betrachtet, aber keine Stilverwirrung war so einschneidend wie die rote Leuchtschrift, die nur wenige Yards entfernt auf der Tankstelle prangt. Auf dem Kirchhof flattern weggeworfene Plastiktüten vom Texaco-Imbiss.
Wir wandern die Flaniermeile entlang, die nur eine Viertelmeile lang ist und von den beiden Kreisverkehren begrenzt wird.
Weitere Kostenlose Bücher