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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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den blauen Hasenfuß fand. Es handelte sich um ein Geschenk von seinem Vater, das Einzige, was Nick von ihm geblieben war. Er küsste die Hasenpfote und hängte sie sich um den Hals. Heute würde er jedes bisschen Glück gebrauchen können.
    Er beugte sich vor und schaute hastig in beide Richtungen die viel befahrene Straße entlang, wobei er insbesondere nach einem abgewrackten grünen Lieferwagen Ausschau hielt. Er hatte auf einen Stau gehofft, damit er eine bessere Chancehatte, es lebend in die U-Bahn zu schaffen, doch derzeit fuhren die Autos in stetigem Tempo an ihm vorbei. Das Tageslicht verblasste, und bald würde der Lieferwagen nur ein weiteres helles Scheinwerferpaar in der Nacht sein.
    Nick warf sich die Tasche über die Schulter und trat geduckt auf den Bürgersteig. Im Laufschritt schlängelte er sich zwischen den verstreuten Fußgängern hindurch. Der Wind war kalt, und die Leute hatten den Kragen hochgeschlagen und hielten den Blick gesenkt. Nick tat es ihnen nach, umrundete eine Ansammlung alter Männer und Frauen vor einem italienischen Restaurant und versuchte sich im dünnen Rinnsal der Passanten zu verlieren.
    Du hast es vergeigt, Nicky Boy,
dachte er.
So richtig vergeigt.
Dennoch war ein Teil von ihm glücklich, der Teil, der alles darum gegeben hätte, die Gesichter dieser Dreckskerle zu sehen, wenn sie feststellten, dass ihre gesamten Vorräte verschwunden waren. Es würde eine ganze Weile dauern, bis Marko wieder im Geschäft war.
    Hinter ihm hupte jemand. Nick machte einen Satz und fuhr herum. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Doch es war nicht der grüne Lieferwagen, sondern nur ein zugeparkter Autofahrer. Als Nick schließlich die Bäume weiter vorne sah, durchströmte ihn Erleichterung. Prospect Park war nur noch einen Häuserblock entfernt. Zwischen den Bäumen würden sie ihn nicht so leicht ausfindig machen, und wenn er quer durch den Park ging, käme er beim U-Bahnhof raus. Nick rannte los.
     
    Die Schatten krümmten sich und verschmolzen, Schicht um Schicht, bis der Spielplatz im Dunkeln lag. Nach und nach erwachten die Natriumlampen zischend zum Leben. Ihr gelb schimmerndes Licht warf lange, unheimliche Schatten über den Park.
    Die Eltern waren fort, der Spielplatz war leer. Die Mülleimer,die vor leeren Getränkedosen und schmutzigen Windeln überquollen, standen da wie einsame Wachtposten, und ferne Verkehrsgeräusche mischten sich mit dem gleichmäßigen Wummern einer aufgedrehten Stereoanlage.
    Der Kinderdieb sah den Jungen schon von weitem durch den Park rennen und erhaschte einige kurze Blicke auf sein Gesicht, als er durch die gelben Lichtpfützen unter den Laternen hastete. Der Dieb bemerkte die Angst, die Unsicherheit, und er lächelte.
    Was hatte diesen Jungen hergetrieben: Schläge, Vernachlässigung, Missbrauch? Vielleicht alles drei? Eigentlich kam es dem Dieb nicht darauf an. Wichtig war nur, dass etwas den Jungen veranlasst hatte, sein Zuhause zu verlassen und sich allein in die Nacht hinauszuwagen. Er war ein
Ausreißer
. Und wie so viele Ausreißer wusste er nicht, wohin er ausreißen sollte.
    Keine Angst
, dachte der Kinderdieb.
Ich weiß, wo du hinkannst. An einen Ort, an dem wir spielen können
. Seine goldenen Augen funkelten, und sein Lächeln wurde breiter.
     
    Nick kam an einem jungen Paar vorbei, das gerade den Park verließ. Die beiden kicherten und klebten aneinander wie siamesische Zwillinge. Er schlug einen weiten Bogen um einen Mann mit Hund. Der Hund – irgend so ein großer Pudel – schaute Nick beschämt an, während er sein Geschäft verrichtete. Der Mann starrte derweil ausdruckslos auf sein Telefon und schrieb eine SMS. Offenbar störte es ihn nicht weiter, dass sein Hund Tretminen auf den Gehweg legte.
    Ein gutes Stück weiter vorne entdeckte Nick ein Rudel Jugendlicher. Sie gingen quer über die Wiese, brüllten rum und kamen sich toll dabei vor. Wahrscheinlich würden sie ihm nur Ärger machen, und Nick brauchte nicht noch mehr Ärger. Er verließ den Fußweg und verschwand zwischen den Bäumen.
    Nick bahnte sich einen Weg durch eine dichte Hecke undsprang in einen breiten Graben. Sein Fuß traf ein feuchtes Stück Pappe, worauf er stolperte und auf etwas Weichem landete. Das weiche Etwas bewegte sich.
    »He«, erklang es gedämpft von unten.
    Das weiche Etwas war ein Schlafsack, der so zerschlissen und verschmiert aussah, als hätte man ihn durch die Gosse geschleift. Der Jemand darin war eine Frau, die nicht sehr viel besser aussah. Ihr

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