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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Kind.
    In der Abenddämmerung jenes Spätsommertags spähte der Kinderdieb zwischen den Schatten und den herabsegelnden Blättern hindurch und beobachtete die spielenden Kinder. Sie kletterten auf die grüne Riesenschildkröte, rutschten ihren gelben Rücken hinunter, lachten, schrien, neckten sich und jagten einander im Kreis. Doch der Dieb interessierte sich nicht für ihre glücklichen Gesichter. Er wollte nicht irgendein Kind stehlen. Er war wählerisch. Er suchte nach einem traurigen Gesicht, nach einem Einzelgänger … einem
verlorenen
Kind. Je älter, desto besser. Am besten wäre ein vierzehn- oder fünfzehnjähriges, weil Teenager stärker waren, ein höheres Durchhaltevermögen hatten und meistens länger überlebten.
    Der Dieb wusste, dass ihm Frau Glück bei dem Mädchen hold gewesen war. Die Kleine war ein guter Fang, trotz der dummen Sache mit ihrem Vater. Er lächelte, als er sich an den komischen Gesichtsausdruck des Mannes erinnerte, als er ihm das Messer in die Brust gestoßen hatte. Doch wo war Frau Glück jetzt? Er war seit zwei Tagen auf der Jagd.
Nichts
. Letzte Nacht hätte er beinahe Erfolg bei einem Jungen gehabt, doch beinahe reichte nicht. Der Dieb verzog das Gesicht und sagte sich einmal mehr, dass er die Dinge langsam angehen musste. Manmusste erst Freundschaft mit ihnen schließen, ihr Vertrauen gewinnen. Man konnte kein Kind stehlen, solange es einem nicht vertraute.
    Vielleicht würde Frau Glück ihm heute Abend beistehen. Stadtparks hatten sich als gute Jagdgründe für den Kinderdieb erwiesen. Oft schlugen kleine Streuner und Ausreißer ihr Lager im Gebüsch auf und benutzten die öffentlichen Toiletten, um sich zu waschen. Die waren immer auf der Suche nach Freunden.
    Als die Sonne langsam hinter den Hochhäusern verschwand, krochen die Schatten aus ihren Löchern – und mit ihnen der Dieb. Geduldig wartete er darauf, dass die hereinbrechende Dunkelheit die Spreu vom Weizen trennte und die einsamen Kinder zurückblieben.
     
    Nick huschte in den Eingangsbereich des Kaufhauses und drückte sich flach gegen die Edelstahltür. Sein Atem ging schnell und heftig. Er presste die Wange an das kalte Metall und kniff die Augen zu. »Ich bin am Arsch. Total am Arsch.«
    Für seine vierzehn Jahre war Nick dünn und ein wenig klein geraten. Der dunkle, unregelmäßige Pony hing ihm ins schmale Gesicht und ließ die bleiche Hautfarbe umso deutlicher hervorstechen. Er musste dringend zum Friseur, aber in letzter Zeit gehörte sein Haarschnitt zu seinen geringsten Sorgen.
    Nick ließ seine Tasche zu Boden fallen, schob sich die Strähnen aus dem Gesicht und rollte behutsam einen Ärmel seiner schwarzen Jeansjacke auf. Er betrachtete die verbrannte Innenseite seines Unterarms und verzog das Gesicht. Die grellroten Male, die sein Fleisch durchzogen, bildeten ein krudes N.
    Er gab sich Mühe, nicht an das albtraumhafte Erlebnis zu denken, doch die Erinnerung kehrte in Form sengender Blitzlichtaufnahmen zurück: Männer, die ihn zu Boden drückten – in seiner eigenen Küche. Der säuerliche, ranzige Geschmackdes Spülschwamms, den sie ihm in den Mund gestopft hatten. Marko, der große Marko mit dem Stiernacken und dem bösen Grinsen, der den Garderobenhaken auf der Herdplatte erhitzte. Der Draht, der erst zu rauchen begann und dann rot wurde und dann … der
Schmerz
… glühender, sengender Schmerz. Himmel, der
Gestank
, und schlimmer noch, das Geräusch. Er würde niemals das brutzelnde Geräusch seines eigenen verbrennenden Fleisches vergessen. Ein würgender Schrei, von dem dreckigen, nassen Schwamm erstickt, während die anderen lachten. Marko direkt vor ihm, Marko mit den langen, borstigen Kinnhaaren und den hervortretenden, blutunterlaufenen Augen.
    »Willst du wissen, wofür das N steht?«, hatte er gezischt. »Hä, willst du das wissen, Arschwichser? Es steht für
Narc
. Ein Narc ist eine Petze. Wenn du jemals auch nur einen Mucks über diese Sache von dir gibst, brenne ich dir jeden Buchstaben einzeln in die Zunge. Hast du das kapiert, du kleiner Scheißer?«
    Nick öffnete die Augen. »Muss in Bewegung bleiben.« Er griff nach seiner Tasche und öffnete den Reißverschluss. Darin befanden sich ein paar Tüten Kartoffelchips, Brot, ein Glas Erdnussbutter, ein Taschenmesser, zwei Dosen Mineralwasser, ein blauer Hasenfuß an einem Lederband und Metamphetamine im Wert von etwa dreißigtausend Dollar.
    Er wühlte zwischen den Hunderten von kleinen, transparenten Plastiktütchen herum, bis er

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