Der kleine Dämonenberater
Wechselbad der Gefühle begleitet. Um Punkt fünf Uhr hatte Travis wie versprochen bei ihr angerufen, doch ihr anfängliches Hochgefühl angesichts der Tatsache, daß jemand sie offensichtlich begehrte, war mittlerweile einer Panik gewichen, weil sie nicht die geringste Ahnung hatte, was sie anziehen, wie sie sich benehmen und wohin sie überhaupt gehen konnte. Letzteres hatte Travis ihr überlassen. Sie komme von hier und wisse bestimmt am besten, wo man hingehen könne, hatte er gesagt. Und damit hatte er natürlich recht. Er hatte außerdem gemeint, daß es am besten sei, wenn sie den Wagen fuhr.
Sobald er aufgelegt hatte, war sie in die Garage gerannt und hatte den Staubsauger gesucht, um den Wagen zu saugen. Noch während sie mit dem Saubermachen beschäftigt war, hatte sie die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt, die sich ihr boten. Sollte sie das teuerste Restaurant aussuchen? Nein, so was könnte abschreckend auf ihn wirken. Es gab ein romantisches italienisches Restaurant im Süden des Ortes, andererseits konnte ihn das vielleicht auch auf falsche Gedanken bringen, oder? Pizza war irgendwie zu gewöhnlich für eine Verabredung zum Abendessen. Hamburger kamen schon gar nicht in Frage. Englisches Essen? Nein – das mußte man ihm nun auch nicht antun, er hatte ja nichts verbrochen.
So langsam wurde sie ein bißchen sauer auf Travis, weil er ihr die Entscheidung überlassen hatte. Schließlich rang sie sich zu dem italienischen Restaurant durch.
Als sie den Wagen innen saubergemacht hatte, ging sie ins Haus zurück, um ihre Abendgarderobe zusammenzustellen. Sie zog sich innerhalb der nächsten Stunde insgesamt siebenmal an und wieder aus, bis sie sich schließlich zu einem ärmellosen schwarzen Kleid in Kombination mit hochhackigen Schuhen durchgerungen hatte.
Sie stand vor dem großen Spiegel und musterte sich. Das schwarze Kleid war definitiv die richtige Wahl. Außerdem hatte es den Vorteil, daß man keine Flecken sah, falls sie sich mit Tomatensoße bekleckerte. Richtig gut sah sie aus. Die hohen Absätze betonten ihre schlanken Fesseln, aber man konnte die hellroten Haare an ihren Beinen sehen. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Sie kramte in den Schubladen ihrer Kommode herum, bis sie eine schwarze Strumpfhose fand und sie anzog.
Nachdem auch dieses Problem gelöst war, stellte sie sich wieder vor dem Spiegel in Positur. Sie setzte einen Schmollmund auf und übte den leicht gelangweilten Gesichtsausdruck, den sie von den Models aus den Frauenzeitschriften kannte. Sie war schlank und einigermaßen hochgewachsen, ihre Beine stramm von der Arbeit als Kellnerin. Nicht schlecht für eine Braut von fast dreißig, dachte sie. Dann hob sie die Arme und streckte sich lässig. Aus dem Spiegel knallten ihr zwei Büschel Achselhaare entgegen.
Ist doch nur natürlich, dachte sie. Warum sollte man so ein Aufhebens darum machen? Sie hatte etwa zum gleichen Zeitpunkt aufgehört, sich unter den Achseln zu rasieren, als sie aufgehört hatte, Fleisch zu essen. Das war Teil ihres Selbstfindungsprozesses, innerhalb dessen sie ihre Selbstentfremdung auflösen und ihre Verbindung zur Erde wiederherstellen sollte. Es war eine Methode zu demonstrieren, daß sie sich nicht in das von Hollywood und der Madison Avenue geprägte weibliche Schönheitsideal pressen ließ, sondern eine natürliche Frau war. Rasierte sich die Göttin etwa ihre Achselhöhlen? Nein. Andererseits hatte die Göttin auch nicht ihr erstes Rendezvous seit über zehn Jahren.
Jenny wurde plötzlich bewußt, wie wenig Beachtung sie in den letzten Jahren ihrem Aussehen geschenkt hatte. Nicht, daß sie sich hätte gehen lassen. Sie hatte einfach immer weniger Make-up benutzt, und ihre Frisuren waren weniger zeit- und arbeitsaufwendig geworden, doch diese Veränderungen waren so langsam über einen längeren Zeitraum vonstatten gegangen, daß sie ihr kaum aufgefallen waren. Und Robert schien es auch nicht aufgefallen zu sein, zumindest hatte er keine Einwände erhoben. Aber das lag hinter ihr und gehörte der Vergangenheit an. Wie Robert. Jedenfalls demnächst.
Sie ging ins Bad und machte sich auf die Suche nach einem Rasierapparat.
BILLY WINSTON
Billy Winston waren solche Probleme, was das Rasieren betraf, fremd. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, sich die Beine und Achseln bei jeder Dusche zu rasieren. Der Wunsch, dem Idealbild der perfekten Frau zu entsprechen, wie es die Werbung für kalorienarme Softdrinks propagierte,
Weitere Kostenlose Bücher