Der kleine Dämonenberater
bereitete ihm nicht die geringsten Seelennöte. Erheblich ernstere Probleme hatte er hingegen mit der Tatsache, daß er weiterhin als ein Meter neunzig großer Mann mit einem vorstehenden Adamsapfel herumlaufen mußte, wenn er seinen Job als Nachtrevisor im Rooms-R-Us-Motel behalten wollte. Im Grunde seines Herzens war Billy eine atemberaubende Blondine namens Roxanne.
Allerdings mußte Roxanne sich im Schrank verstecken, bis Billy mit den Büchern des Motels fertig war und um Mitternacht die übrigen Angestellten Dienstschluß hatten, so daß Billy allein hinter dem Tresen stand. Erst dann konnte Roxanne auf ihren Siliconchip-Slippers durch die Nacht tanzen, die Libido einsamer Männer in Wallung bringen und Herzen brechen. Wenn die eiserne Zunge der Mitternacht zwölf schlug, traf die Sexfee ihre Online-Lover. Bis dahin war sie Billy Winston, und Billy Winston machte sich fertig, um zur Arbeit zu gehen.
Er streifte den roten Seidenslip und die Strapse über seine dünnen, langen Beine und betrachtete sich neckisch in dem großen Spiegel am Ende seines Bettes, während er langsam die schwarzen nahtlosen Strümpfe anzog. Er lächelte seinem Spiegelbild kokett zu, als er die Verschlüsse der Strapse einschnappen ließ. Dann zog er seine Jeans und ein Flanellhemd an und band die Schnürsenkel seiner Tennisschuhe zu. An die Brusttasche seines Hemdes heftete er seine Namensplakette: Billy Winston, Nachtrevisor.
Es war eine traurige Ironie des Schicksals, dachte Billy, daß das, was er am liebsten mochte, nämlich Roxanne zu sein, davon abhing, was er am wenigsten ausstehen konnte, nämlich seinen Job. Jeden Abend erwachte er mit einer Mischung aus Euphorie und Abscheu. Na ja, ein Joint würde ihn über die ersten drei Stunden seiner Schicht hinwegretten, und danach würde Roxanne ihn über die restlichen fünf Stunden bringen.
Er träumte davon, sich eines Tages einen eigenen Computer leisten zu können und in der Lage zu sein, sich jederzeit in Roxanne zu verwandeln. Dann würde er seinen Job aufgeben und ein Leben führen wie The Breeze: schnell und völlig ungebunden. Nur noch ein paar Monate hinter dem Tresen des Motels, und er würde das nötige Geld zusammenhaben.
CATCH
Catch war ein Dämon siebenundzwanzigster Ordnung. Damit rangierte er in der Hierarchie der Hölle noch weit hinter den Erzdämonen wie Mammon, dem Götzen der Habgier, aber immer noch um einiges höher als Arrgg, der für den unvermeidlichen Styroporgeschmack in Kaffeebechern zum Mitnehmen verantwortlich war.
Catch war geschaffen worden, um zu dienen und zu zerstören, und zu diesem Zweck war er mit einer gewissen Schlichtheit des Geistes ausgestattet, die solchen Funktionen angemessen war. Was ihn von den anderen Bewohnern der Hölle abhob, war die Tatsache, daß er länger als jeder andere Dämon auf Erden zugebracht hatte, und dort hatte ihn der Umgang mit den Menschen gelehrt, hinterhältig und ehrgeizig zu sein.
Sein Ehrgeiz äußerte sich darin, daß er einen Meister suchte, der es ihm erlaubte, seiner Zerstörungswut freien Lauf zu lassen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Von all den Herren, denen er seit Salomon gedient hatte, war Travis der schlimmste. Travis war von einer nervtötenden Rechtschaffenheit, die Catch schier zur Weißglut trieb. In der Vergangenheit hatten sich bösartige Gestalten seiner bedient, die seinem Zerstörungswerk nur Grenzen setzten, weil sie seine Gegenwart vor anderen Menschen geheimhalten wollten. In den meisten Fällen ließ sich dies durch den Tod sämtlicher Augenzeugen bewerkstelligen, und Catch sorgte dafür, daß es Zeugen zuhauf gab.
Bei Travis lag der Fall ganz anders. Er zwängte Catchs Zerstörungswut in enge Bahnen, so daß sie sich aufstaute, bis Travis ihn gezwungenermaßen von der Leine lassen mußte. Und immer war es dann jemand, den Travis ausgesucht hatte. Und immer fand die ganze Angelegenheit an einem einsamen Ort statt. Und es war nie genug, um Catchs Appetit zu stillen.
Während seiner Jahre in Travis Diensten schien sein Geist wie benebelt, und das Feuer in ihm brannte auf Sparflamme. Nur bei den Gelegenheiten, wo Travis ihn auf ein Opfer zusteuerte, wurde sein Denken plötzlich glasklar, und er spürte, welche Kräfte in ihm schlummerten. Doch diese Gelegenheiten waren zu selten. Der Dämon sehnte sich nach einem Herrn, der Feinde hatte, aber sein Verstand war nie klar genug, um einen Plan zu entwickeln, wie dies zu bewerkstelligen war. Travis' Wille zwang ihn in die
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