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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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Morgens könnten sie auf Deck Tee trinken, Kekse essen und zusehen, wie die Sonne über den Gebäuden der dunstigen, überfüllten Stadt emporstieg, und tagsüber könnten sie durch die Bullaugen ihrer Kajüten das Kommen und Gehen der Passagiere auf Katamaranen wie diesem beobachten. Der Fernsehempfang wäre hervorragend, da es dort keine Störungen gab, und sie könnten den ganzen Tag Billard oder Tischtennis spielen, denn in den Spielräumen ständen bestimmt noch die entsprechenden Tische. Ihr Blick, nicht mehr auf allen Seiten von Mauern begrenzt, würde sich daran gewöhnen, in die Ferne zu schweifen, und ihre Wangen würden von der frischen Luft ganz rosig werden, so wie die all der Kinder in den englischen Filmen. Hier warf Monique als Gegenargument ein, dass sie sich täglich würden die Haare waschen müssen, weil die Luft so salzig und klebrig war. Außerdem rochen Salzwasserfische unangenehmer und fischiger als Süßwasserfische. So sponnen sie ihre Geschichte aus, bis die Schiffe nur noch kleine Pünktchen in der Ferne und sie weit draußen auf dem Wasser waren. Arzee setzte seine silbern eingefasste Sonnenbrille mit den blauen Gläsern auf, was er nur tat, wenn er besonders wohlgestimmt war, und sie ließen sich von einem anderen Fahrgast mit Moniques Handy fotografieren.
    In Mandwa angekommen, eilten alle anderen über den langen Steg zum Bus nach Alibagh, sie hingegen bummelten, schauten sich um, machten weitere Fotos und fütterten streunende Hunde, denn sie waren an ihrem Ziel angelangt. Der Strand von Mandwa war anders als der Chowpatty Beach. Auf den weiten weißen Sandflächen, die sich beiderseits des Stegs erstreckten, gab es keine Pferde und Kamele, keine Seifenblasenbläser und Ballonverkäufer, keine
pav-bhaji 15 -
oder
bhelpuri -Stände
16 , keine Masseure und keine Jugendlichen, die Taschentücher und pflanzliche Heilmittel verkauften. Es gab nichts als Strand. Hier ragten nicht Erdnussschalen und Kronkorken aus dem Sand, sondern echte Muscheln, und die Wellen waren nicht von Öl und Unrat verdreckt. Sie ließen ihre Schuhe am Strand stehen und wateten mit hochgekrempelten Hosenbeinen Hand in Hand ins Wasser. Die von der Morgensonne erwärmten Wellen strichen die Haare auf Arzees Beinen in gleichmäßigen Reihen nach unten. Moniques gewachste Beine waren natürlich völlig glatt, doch auf dem einen Knie hatte sie eine auffällige Narbe, die von einem Sturz in ihrer Kindheit herrührte. Wenn sich die Wellen wieder vom Strand zurückzogen, saugten sie ihnen den Sand unter den Füßen weg. Einen Moment lang empfand Arzee eine tiefe Verunsicherung, und er drückte Moniques Hand ganz fest. Sie spürte den Druck seiner Finger und schaute ihn fragend an. Ihre Blicke trafen sich und schienen miteinander zu verschmelzen, und als er ihr vor dem von Schäfchenwolken übersäten blauen Himmel ins Gesicht sah – eine Locke zitterte vor ihrer zart mit Rouge geschminkten Wange, undauf ihrem schwarzen Oberteil lag schräg das Kreuz, das sie um den Hals trug –, wusste Arzee, dass er diesen Moment niemals vergessen würde.

    Monique hatte mehr oder weniger vom ersten Tag an den Vorführraum sehen wollen, denn Arzee redete ständig von Phirozbhai und von Tyson, dem Hund, von den Wundern des Babur und seines Lichtstrahls oder auch nur von den abblätternden Wänden, dem kühlen Steinboden, der unbeschreiblichen Magie dieses Ortes. Doch erst als einige Monate verstrichen waren und Arzee nicht mehr daran zweifelte, dass das alles wahr war, traute er sich, Monique ins Kino mitzunehmen.
    Und was staunten die Leute, als eines Montagnachmittags auf der Straße, die zum Noor führte, wie immer Arzees vertraute Gestalt erschien, doch diesmal mit einer – ja, mit einer schönen Frau an seiner Seite! Er war nicht mehr allein! Ringsum auf der Straße hoben sich Augenbrauen, suchten Blicke einander. Unterhaltungen erstarben mitten im Satz, und es wurde so still, dass sogar in den Büros Leute ans Fenster eilten, um zu schauen, was draußen los war. Die Sonne kam plötzlich hinter einer Wolke hervor, und als sie an Mobins Werkstatt vorbeigingen, tat ein im Leerlauf vor sich hin nudelnder alter Käfer plötzlich einen Hickser und fuhr mit einem Satz gegen die Wand. Als sie sich dem Noor näherten, sprang Tawde, der Pförtner, auf, klopfte sich rasch den Hosenboden ab und stand stramm, doch er musste zu seinem Ärger feststellen, dass Arzee mit einem kurzen, wortlosen Nicken an ihm vorbeiging wie ein Mafiaboss, der

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