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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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seine Machtzentrale betritt. Sie schritten durch das formidable Foyer, drehten sich immer wieder fasziniert um, gingen dieTreppe hinauf und blieben vor dem großen Spiegel stehen, um sich zu bewundern. Nach einem Rundgang durch die Galerie der Filmheldinnen, von denen Monique viele – vor allem die älteren – nicht namentlich kannte, weil sie mehr auf Hollywoodfilme stand, gingen sie in den Vorführraum hinauf. Phirozbhai hörte die Schritte und setzte an, etwas zu Arzee zu sagen, doch dann tauchte als Erstes Moniques Kopf vor ihm auf, was ihn so verblüffte, dass ihm – dieser Moment war zehn Jahre von Arzees Leben wert! – die Worte im Hals stecken blieben. Er fing sich jedoch schnell wieder, murmelte seinen Namen, als sie einander vorgestellt wurden, schwieg eine Weile und sagte dann plötzlich: »Ich arbeite schon seit über dreißig Jahren hier.« Worauf Monique lächelte und sagte: »Das ist wirklich eine sehr lange Zeit, Mister Phiroz – wie schön!« Sie schaute zu Arzee hinüber, der mit den Schultern zuckte und die Hände nach ihr ausstreckte, und Monique sah sich um und sagte:
    »Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe!«
    Arzee zeigte ihr, wo die Filmrollen aufbewahrt wurden und wie der Babur funktionierte, und nach einer Weile sagte Phirozbhai, als wäre es abgesprochen (vielleicht hatte er ja vor dreißig Jahren etwas Ähnliches gemacht, auch er war schließlich einmal jung gewesen): »Ich muss jetzt gehen.« Er rief: »Komm, Tyson«, und weg waren die beiden. »Ich muss mich an die Arbeit machen«, sagte Arzee, und während er die erste Filmrolle einlegte, setzte sich Monique ans Fenster, wo die Tauben flatterten und gurrten, und fotografierte ihn mit ihrem Handy. Arzee winkte sie zu sich und führte sie zum Kabinenfenster, um ihr zu zeigen, wie der Lichtstrahl die Noor’sche Nacht durchdrang und sich auf der Leinwand zu einem Bild formte. Er erklärte ihr, dass jede Sekunde desFilms tatsächlich aus vierundzwanzig Bildern bestand, die mit hoher Geschwindigkeit durch den Babur sausten und so die Illusion von Bewegung erzeugten, und dass die Leinwand nicht etwa quadratisch, sondern rechteckig war, weil das der Form des menschlichen Auges entsprach, und da das alles sie zu interessieren schien, holte er ihr einen Stuhl, damit sie sie sich ans Kabinenfenster setzen und den Film anschauen konnte, während er seiner Arbeit nachging. Zu seiner großen Erleichterung sagte sie nicht, wie sie es durchaus hätte tun können: »In einem Multiplex ist das Bild aber besser.« In der Pause legte er religiöse Musik auf und verkündete über die Lautsprecheranlage: »Wir machen eine Pause! Der Film geht in zehn Minuten weiter.«
    Und dann stellte sich Arzee in diesem von Romantik durchwehten Raum, in dem Dutzende von Hauptdarstellern und -darstellerinnen Hunderte Male ihre verliebten Blicke, geflüsterten Worte und Liebeserklärungen, ihre Kämpfe mit Eltern und Bösewichten wiederholt hatten, um schließlich gemeinsam durch das Tor des Happy Ends zu gehen, auf die Zehenspitzen und küsste sie, und als er sie ein weiteres Mal küssen wollte, hörte er, wie sich hinter ihm jemand verlegen räusperte und sagte: »Ich – ich sollte zwei Kaffee hier hochbringen.«
    Nachdem sie ihren Kaffee in kleinen Schlückchen getrunken hatte, sagte Monique, sie müsse jetzt gehen, und nein, es sei nicht nötig, dass er sie zur Tür begleite, schließlich habe er zu tun, sie würden sich dann später sehen, und so schaute Arzee ihr erst nach, als sie die Treppe hinunterging und ihm dabei noch eine Kusshand zuwarf, und eine halbe Minute später beobachtete er dann vom Fenster aus, wie sie, die Handtasche über der Schulter, mit ihren Vogelschrittchen auf dieStraße trippelte und, ohne nach rechts oder links zu schauen, verschwand. Er wandte den Bick nach oben und sah, dass der strahlend blaue Nachmittagshimmel von dem fedrigen weißen Kondensstreifen eines winzigen Flugzeugs, das stetig seines Weges zog, zweigeteilt wurde. Obwohl er noch nie geflogen war, behauptete der alte Phiroz immer, das Kino und das Flugzeug seien die beiden bedeutendsten Erfindungen des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Einmal sagte Monique beim Kochen: »Damit ein Eiercurry richtig gut ausssieht, bräunt man die Eier am besten mit einem Löffel Zucker in Öl, bevor man die Gewürze dazugibt.« »Echt?«, fragte er, und als er sich vorbeugte, um Monique zu drücken, platzten zwei der Eier, so dass ihnen heißes Öl auf Arme und Gesicht spritzte, worauf

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