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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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jedoch so voll war, dass Monique ihn wieder nicht bemerkte. Arzee wurde bewusst, wie viele Leute in Bombay sinnlos irgendwelchen läppischen Tätigkeiten nachgingen oder sich die Zeit auf der Straße und im Bus vertrieben, wo sie bloß anderen im Weg waren. Deshalb sorgte er am nächsten Tag durch kräftiges Drängeln und Schubsen dafür, dass er wirklich direkt nach ihr einstieg, Bein hinter Bein, Stufe für Stufe. Und dann – hatte sie ihn womöglich – konnte es sein, dass – sie ihn bemerkt hatte, und: ja! Ihre Blicke, die sich das letzte Mal über den Umweg des Spiegels getroffen hatten, trafen sich nun erneut.Monique zog eine Augenbraue hoch, lächelte ganz leicht, wie um zu sagen: »Schau an, so ein Zufall!«, und schaute dann rasch wieder weg – sie erinnerte sich also an ihn! –, und am nächsten Tag lächelte sie ein bisschen anders, überrascht und amüsiert, wie um zu sagen: »Hallo, vielleicht ist das ja gar kein Zufall.« Und als sie am darauffolgenden Tag nach Kleingeld kramte und er dem Schaffner rasch einen Zehn-Rupien-Schein in die Hand drückte und sagte: »Zweimal Central«, wehrte sie sich nicht, und am Montag – nach einer Pause am Sonntag – ließ er
sie
für sie beide bezahlen, und in den sechs Minuten zwischen der Haltestelle und dem Bahnhof unterhielten sie sich sogar ein wenig über dies und das. Und als Arzee ihr erzählte, dass er Filmvorführer im Noor war, zog sie die Augenbrauen hoch und sagte: »Ach wirklich? Das ist ja spannend!« Aber selbst Büroangestellter oder gar arbeitslos zu sein wäre spannend gewesen, wenn Monique dieser Ansicht gewesen wäre.
    Und dann – und dann – und dann. Innerhalb von einer Woche wurden diese Treffen im Bus zur Gewohnheit, doch dann bekam der verdammte Sule Gelbsucht, so dass Arzee an den folgenden zehn Tagen nicht freinehmen konnte. Das hätte das Ende seiner Liebesaffäre bedeuten können, doch letztlich erwies es sich sogar als ganz geschickt, denn als Arzee wieder auftauchte, lächelte Monique auf eine neue Weise – er hatte mittlerweile einen sich ständig erweiternden Katalog all ihrer verschiedenen Lächeln im Kopf –, als hätte sie ihn vermisst. Und so begleitete Arzee sie dann zum Ausgleich für all die verlorenen Tage nicht nur im Bus, sondern auch in dem Zug, mit dem sie nach Hause fuhr. Sie stieg ins Frauenabteil und er ins Männerabteil, und auch wenn sie einander auf der Fahrt nicht sehen konnten, wusste er doch, dass sie da war,nicht fern von ihm, und dass sie, über das Gedränge Hunderter wie Fische in Körben zusammengepackter Leiber hinweg, im selben Gedanken- und Gefühlsabteil saßen.
    Und bevor die Woche ihren Lauf genommen hatte, war er noch weiter gelangt, nämlich bis zu ihr nach Hause. Monique hatte eine kleine Wohnung in Khar mit einem Zimmer, einer kleinen Küche, einer Katze und einem Nachbarn, der unablässig MTV im Fernsehen schaute. Sie machte Arzee in der Küche eine Tasse Tee und öffnete eine Dose mit Keksen. Und dann ergab sich eins aus dem anderen, Überraschung folgte auf Überraschung, Vorstellungen wurden zur Abwechslung mal wahr, und drei Tage später blieb der Tee unangetastet auf dem Küchentisch stehen. Es war nicht der Zeitpunkt, um Tee zu trinken. Teetrinken konnte man immer.
    Gierige Münder aufeinander, von Haut berauschte Finger, das Quietschen des Ventilators an der Decke und an der Wand der flatternde Kalender, auf dem Schrank die Katze, die sich mit halb geschlossenen Augen putzte, es regnete Küsse auf die Hügel von Brust, Bauch und Hintern, in die Täler von Halsbeuge und Achsel und buschigem Dreieck, das Licht veränderte sich, und das Universum drehte sich, und die Konturen waren mal scharf, mal unscharf, verträumte Blicke, verborgenes Lächeln, Gänsehaut und gesträubte Haare, endloses schwindliges Vergnügen, während das Ticken der Wanduhr an Zeit gemahnte, der Grobian Verstand in die Schranken gewiesen und alle Erinnerung ausgelöscht durch das Wunder der Gegenwart, und Pausen, Momente der Stille, aus denen ein Wogen und Drängen ineinander verschlungener, verschwitzer Gliedmaßen erwuchs, und plötzlich schnell und immer schneller, das Bettgestell knarrte und drohte nachzugeben, und dann gab etwas anderes nach, ein Fallen, Fallen,Fallen, Schreie der Lust, der Wellenkamm erreicht, das Hervorschießen des klebrigen Safts und im Kopf die Farbe Rosa …

    Und als Arzee am nächsten Tag als neuer Mensch ins Kino stolzierte, das Hemd ausnahmsweise in die Hose gesteckt und die

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