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Der kleine Mann

Der kleine Mann

Titel: Der kleine Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Ottos Stimme. „Hoffentlich hast du ihm nicht zu viel Äther auf die Nase getupft, mein lieber Bernhard. Sonst läßt dir Señor Lopez von einem seiner Neger den Schädel maniküren!“
    „Halte die Klappe!“ knurrte Bernhards Stimme. „Ich habe den Auftrag vorschriftsmäßig...“
    In diesem Moment brach im Radio die Tanzmusik ab, und eine dritte Stimme erklärte: „Achtung, Achtung! Wir wiederholen eine wichtige Durchsage!“
    „Ich fresse einen Besen, wenn das nicht die Polizei...“, begann Otto.
    „Ruhe!“ zischte Bernhard.
    Mäxchen hielt die Luft an und spitzte die Ohren.
    „Wie wir bereits gemeldet haben“, sagte die Rundfunkstimme, „wurde in den Vormittagsstunden der Ihnen allen bekannte Kleine Mann aus seinem Hotelzimmer entführt. Der Täter hatte sich als Etagenkellner verkleidet. Die von ihm hierfür benützte weiße Jacke konnte sichergestellt werden. Die Kriminalpolizei bittet das Publikum um tatkräftige Unterstützung. Professor Jokus von Pokus hat die von ihm ausgesetzte Belohnung auf 50 000 Mark erhöht. Zweckdienliche Beobachtungen wollen Sie bitte an den Rundfunk oder direkt an Kriminalkommissar Steinbeiß weiterleiten. Der Zirkus Stilke läßt mitteilen, daß sämtliche Vorstellungen bis auf weiteres ausfallen. Ende der Durchsage!“ Dann erklang wieder Musik.
    Nach einer Weile ließ sich Ottos Stimme ehrfürchtig vernehmen. „Donnerwetter! Dieser Jokuspokus legt sich aber mächtig ins Zeug! 50 000? Das nenn ich leichtverdientes Geld! Du nicht auch, Bernhard? Wie wär’s?“
    „Du bist und bleibst ein ausgemachter Hornochse“, knurrte Bernhards Stimme. „50 000? Deswegen gibt man doch nicht eine Lebensstellung auf.“
    „Schon gut“, murmelte Otto. „Es war nur so ein Einfall.“
    „Du bist kein Mann für Einfälle“, antwortete Bernhard ungnädig. „Überlaß das mir, verstanden? So, und jetzt geh ich telefonieren.“ Ein Stuhl wurde energisch zurückgeschoben. „Und paß inzwischen gut auf den Zwerg auf!“

    Als die Zimmertür zugefallen war, wagte es Mäxchen, die Augen einen Spalt zu öffnen. An einem unordentlichen Tisch hockte ein großer glatzköpfiger Mensch und hielt eine leere Flasche gegen das Licht. Das war also Otto!
    „Durst ist schlimmer als Heimweh“, sagte Otto zu sich selber und setzte die Flasche auf den Tisch zurück, daß es nur so klirrte.
    ‚Jetzt oder nie!’ dachte Mäxchen und spielte Erwachen. Er gab sich einen solchen Ruck, daß die Streichholzschachtel fast umgekippt wäre. Dazu schrie er: „Hilfe! Wo bin ich?“ Dann blickte er verzweifelt um sich, wimmerte und preßte beide Hände vor den Mund. Es war eine schauspielerische Glanzleistung.
    Der völlig überraschte Otto war außerordentlich beeindruckt. Er sprang vom Stuhl hoch und zischte wütend: „Willst du gleich die Klappe halten, du kleines Mistvieh?“ Mäxchen brüllte: „Ich will wissen, wo ich bin! Wie reden Sie denn mit mir? Und wer sind Sie eigentlich? Hilfe! Jokus! Hilfeee!“ Er schrie so laut, weil er dachte, irgendwer in der Nähe könne ihn hören. Aber es rührte sich nichts. Niemand hatte ihn gehört. Außer diesem versoffenen Glatzkopf namens Otto.
    „Wenn du noch einmal schreist, kleb ich dir ‘n Meter Leukoplast übers Maul“, sagte Otto grimmig.
    „Dieser Ton gefällt mir nicht“, entgegnete Mäxchen. „Bestellen Sie mir bitte ein Taxi.“
    Daraufhin bekam Otto einen Lachanfall. Es war, genauer, ein Gemisch aus Lachen, Husten, Niesen und Asthma. Es stand zu befürchten, daß er explodieren würde. Aber er explodierte dann doch nicht. Als er sich endlich wieder beruhigt hatte, wischte er sich die Tränen aus den Augen und japste: „Ein Taxi? Wenn’s weiter nichts ist, mein Herr! Bernhard erkundigt sich gerade nach ‘nem Flugzeug!“

18. Kapitel

Wer hat die weiße Kellnerjacke gekauft? / Große Aufregung im »Goldenen Schinken 4 / Ein Bericht im Abendblatt / Der kahle Otto brüllt / Das leere Haus / Bernhard ist der Gefährlichere / Mäxchen untersucht nachts das verteufelte Zimmer.

    Die weiße Kellner jacke war zwei Tage, bevor der Kleine Mann entführt wurde, in der Innenstadt gekauft worden. In einem Fachgeschäft für Berufskleidung. Das hatte die Polizei schließlich festgestellt. Dort gab es Fleischerschürzen, Konditormützen, Ärztekittel, Häubchen für Krankenschwestern, Overalls für Kanalarbeiter, Taucherhelme, Ärmelschoner für Buchhalter, Knieschützer für Parkettleger und Pflasterer, kurz, es war ein großer und bunter Laden. Und die

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