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Der kleine Mann

Der kleine Mann

Titel: Der kleine Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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ich nicht. Eher findet man die sprichwörtliche Stecknadel im Heuschober.“
    „Der Rundfunk?“
    „Gibt jede halbe Stunde unsere Suchmeldung durch. Auch die von Ihnen ausgesetzte Belohnung von Zwanzigtausend Mark wird regelmäßig bekanntgegeben.“
    Der Jokus trat auf den Balkon und bli¿kte zum Himmel hinauf. Doch auch dort oben konnte er sein Mäxchen nicht entdecken. Nach einer Weile drehte er sich um und sagte: „Ich möchte die Belohnung erhöhen. Wer uns den entscheidenden Hinweis gibt, erhält von mir 50 000 Mark.“
    „Der Rundfunk wird umgehend verständigt“, meinte der Kommissar. „Vielleicht nützt es. Wenn es sich um eine mehrköpfige Bande handelt, könnte einer der Kidnapper singen. 50000 Mark sind kein Pappenstiel.“
    „Warum denn singen?“ fragte das Stubenmädchen. „Für 50000 Mark singen? Und was hätten wir davon?“
    Der Kommissar winkte ungeduldig ab. „Singen ist ein Fachausdruck und bedeutet so viel wie verraten.“
    „Ich verstehe das Ganze nicht“, sagte der Hoteldirektor. „Was, um alles in der Welt, will man mit einem geraubten Jungen anfangen, der fünf Zentimeter groß ist und so bekannt wie Chaplin und Churchill? Man kann ihn an keinen anderen Zirkus verkaufen. Man kann ihn nicht einmal privat herumzeigen. Nicht eine Minute lang! Im Handumdrehen wäre die Polizei da.“
    Das Stubenmädchen machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Vielleicht will man den Herrn Professor erpressen?“ flüsterte sie. „Vielleicht gibt man ihm Mäxchen erst zurück, wenn er nachts ein Paket mit furchtbar viel Geld in einen hohlen Baum gesteckt hat? So was soll vorkommen.“

    Der Hoteldirektor zuckte die Achseln. „Dann müßte die Bande aber doch anrufen oder einen Eilbrief schicken!“
    „Oder es sind ganz einfach ein paar Verrückte“, fuhr das Stubenmädchen eifrig fort. „Das gibt es nämlich auch. Dann ist man völlig machtlos.“
    Wer weiß, was sie noch alles aufs Tapet gebracht hätte, wenn nicht plötzlich Rosa Marzipan ins Zimmer gestürzt und dem Professor aufschluchzend und mit den Worten „Mein armer Jokus!“ um den Hals gefallen wäre.
    Hinter ihr erschien, gemessenen Schrittes, Herr Direktor Brausewetter. Er trug den Zylinder in der Hand und an den Händen, wie immer außer im Bett, Glacéhandschuhe. Ihre Farbe war heute mittelgrau. Schwarze Handschuhe zog er nur bei Begräbnissen an und weiße nur bei fröhlichen und festlichen Anlässen. In Handschuhfarben war er äußerst wählerisch.
    „Lieber Herr Professor“, erklärte er, „wir sind tief bestürzt, und ich soll Ihnen die Anteilnahme aller Kollegen übermitteln. In der Betriebsversammlung wurde vor zehn Minuten der einstimmige Beschluß gefaßt, nicht aufzutreten, ehe der Kleine Mann wieder in unserer Mitte weilt. Bis dahin bleibt der Zirkus Stilke geschlossen.“
    „Soll das helfen?“ fragte das Stubenmädchen.
    Direktor Brausewetter blickte sie schief an. „Zunächst einmal ist es ein sichtbares Zeichen der Freundschaft und der Solidarität, meine Liebe!“
    „Und vielleicht hilft es sogar“, meinte Kommissar Steinbeiß. „Es erhöht die allgemeine Aufmerksamkeit.“
    Rosa Marzipan schüttelte die Locken. „Hier kann nur einer helfen.“
    Der Hoteldirektor machte große Augen. „Wer denn?“
    „Du hast ganz recht“, sagte der Jokus zu Rosa. „Er ist unsre einzige Hoffnung.“
    „Wer denn?“ wiederholte der Hoteldirektor.
    Das Marzipanfräulein sagte nur: „Mäxchen selber!“

    Als der Kleine Mann zu sich kam, brummte ihm der Kopf. Er lag zwar in seiner Streichholzschachtel. Aber die Lampe an der Decke kannte er nicht. Wo war er eigentlich?
    Aus einem Radioapparat tönte Tanzmusik. Blauer Tabakrauch kräuselte sich in der Luft. Und plötzlich sagte eine mürrische Männerstimme: „Otto, sieh doch mal nach, ob der Zwerg endlich aufgewacht ist.“ Weil sich nichts rührte, fuhr die Stimme ärgerlich fort: „Ist es dir lieber, wenn ich dir ‘ne schriftliche Einladung schicke?“
    „Du bist ein viel zu hastiger Typ“, antwortete eine andere Stimme gemütlich. „Das kann nicht gesund sein, Bernhard. Denk an dein Herz!“ Doch dann wurde ein Stuhl gerückt. Es stand jemand schwerfällig auf und kam langsam näher. Wahrscheinlich war es der Mann, der Otto hieß.

    Mäxchen schloß die Augen, atmete ruhig und spürte, wie sich jemand über ihn beugte. Otto schnaufte, und er roch wie ein Zigarrengeschäft, das sich neben einer Schnapsfabrik befindet. „Der Knirps schläft immer noch“, sagte

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