Der Kleine Prinz (German Edition)
seinen Planeten zurückgekehrt, denn bei Tagesanbruch habe ich seinen Körper nicht wiedergefunden. Es war kein so schwerer Körper … Und ich liebe es, des Nachts den Sternen zuzuhören. Sie sind wie fünfhundert Millionen Glöckchen …
Aber nun geschieht etwas Außergewöhnliches.
Ich habe vergessen, an den Maulkorb, den ich für den kleinen Prinzen gezeichnet habe, einen Lederriemen zu machen! Es wird ihm nie gelungen sein, ihn dem Schaf anzulegen.
So frage ich mich: Was hat sich auf dem Planeten wohl ereignet? Vielleicht hat das Schaf doch die Blume gefressen …
Das eine Mal sage ich mir: Bestimmt nicht! Der kleine Prinz deckt seine Blume jede Nacht mit seinem Glassturz zu, und er gibt auf sein Schaf gut Acht. Dann bin ich glücklich. Und alle Sterne lachen leise.
Dann wieder sage ich mir: Man ist das eine oder das andere Mal zerstreut, und das genügt! Er hat eines Abends die Glasglocke vergessen oder das Schaf ist eines Nachts lautlos entwichen … Dann verwandeln sich die Schellen alle in Tränen! …
Er fiel sachte, wie ein Baum fällt.
Das ist ein sehr großes Geheimnis. Für euch, die ihr den kleinen Prinzen auch liebt, wie für mich, kann nichts auf der Welt unberührt bleiben, wenn irgendwo, man weiß nicht wo, ein Schaf, das wir nicht kennen, eine Rose vielleicht gefressen hat oder vielleicht nicht gefressen hat …
Schaut den Himmel an. Fragt euch: Hat das Schaf die Blume gefressen oder nicht? Ja oder nein? Und ihr werdet sehen, wie sich alles verwandelt …
Aber keiner von den großen Leuten wird jemals verstehen, dass das eine so große Bedeutung hat!
Das ist für mich die schönste und traurigste Landschaft der Welt. Es ist die gleiche Landschaft wie die auf der vorhergehenden Seite, aber ich habe sie nochmals hergezeichnet, um sie euch ganz deutlich zu machen. Hier ist der kleine Prinz auf der Erde erschienen und wieder verschwunden. Schaut diese Landschaft genau an, damit ihr sie sicher wiedererkennt, wenn ihr eines Tages durch die afrikanische Wüste reist. Und wenn ihr zufällig da vorbeikommt, eilt nicht weiter, ich flehe euch an – wartet ein bisschen, gerade unter dem Stern! Wenn dann ein Kind auf euch zukommt, wenn es lacht, wenn es goldenes Haar hat, wenn es nicht antwortet, so man es fragt, dann werdet ihr wohl erraten, wer es ist. Dann seid so gut und lasst mich nicht weiter so traurig sein: Schreibt mir schnell, wenn er wieder da ist …
Antoine de Saint-Exupéry wurde am 29. Juni 1900 geboren. Schon früh verlor er den Vater; mit umso größerer Liebe hing er sein ganzes Leben lang an seiner Mutter (»Briefe an seine Mutter«). Nach dem Besuch der Jesuitenschule leistete er seinen Militärdienst in einem Fliegerregiment – und fand so seinen Beruf: 1926 übernahm er als Pilot die Linie Toulouse – Casablanca (»Südkurier«). Schon zwei Jahre später wurde er Direktor der Luftpost von Buenos Aires (»Nachtflug«) und danach wieder Versuchsflieger. Im Jahre 1935 stürzte er über der ägyptischen Wüste ab – eine Episode, die in seinem Buch »Wind, Sand und Sterne« wiederkehrt. Es entstand zwei Jahre später nach einem Startunfall in Guatemala und erhielt den Großen Preis der Académie Française. Im Zweiten Weltkrieg emigrierte Saint-Exupéry nach der Besetzung Frankreichs in die USA; hier entstand neben »Der Kleine Prinz« und »Flug nach Arras« auch der unter dem Titel »Bekenntnis einer Freundschaft« veröffentlichte Brief an den ausgelieferten Freund Léon Werth. Als die Alliierten 1942 in Nordafrika landeten, schloss er sich der Armee des Generals de Gaulle an. Am 31. Juli 1944 startete sein Fernaufklärer von der Insel Korsika aus zum letzten Flug: Der Pilot und Dichter kehrte nicht zurück.
Zeitlebens gab es für Saint-Exupéry nur zwei Dinge, die wichtig waren: das Fliegen und das Schreiben. Dennoch flog er nicht um des Fliegens, schrieb er nicht um des Schreibens willen. Beides war ihm wichtig als Dienst am Menschen.
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