Der Kleine Prinz (German Edition)
Hochmut. Aber das ist kein Mensch, das ist ein Schwamm.«
»Ein was?«
»Ein Schwamm!«
Der kleine Prinz war jetzt ganz blass vor Zorn.
»Es sind nun Millionen Jahre, dass die Blumen Dornen hervorbringen. Es sind Millionen Jahre, dass die Schafe trotzdem die Blumen fressen. Und du findest es unwichtig, wenn man wissen möchte, warum sie sich so viel Mühe geben, Dornen hervorzubringen, die zu nichts nutz sind? Dieser Kampf der Schafe mit den Blumen soll unwichtig sein? Weniger ernsthaft als die Additionen eines dicken, roten Mannes? Und wenn ich eine Blume kenne, die es in der ganzen Welt nur ein einziges Mal gibt, nirgends anders als auf meinem kleinen Planeten, und wenn ein kleines Schaf, ohne zu wissen, was es tut, diese Blume eines Morgens so mit einem einzigen Biss auslöschen kann – das soll nicht wichtig sein?!«
Er wurde rot vor Erregung und fuhr fort:
»Wenn einer eine Blume liebt, die es nur ein einziges Mal gibt auf allen Millionen und Millionen Sternen, dann genügt es ihm völlig, dass er zu ihnen hinaufschaut, um glücklich zu sein. Er sagt sich: Meine Blume ist da oben, irgendwo … Wenn aber das Schaf die Blume frisst, so ist es für ihn, als wären plötzlich alle Sterne ausgelöscht! Und das soll nicht wichtig sein?«
Er konnte nichts mehr sagen. Er brach plötzlich in Schluchzen aus. Die Nacht war hereingebrochen. Ich hatte mein Werkzeug weggelegt. Mein Hammer, mein Bolzen, der Durst und der Tod, alles war mir gleichgültig. Es galt auf einem Stern, einem Planeten, auf dem meinigen, hier auf der Erde, einen kleinen Prinzen zu trösten! Ich nahm ihn in die Arme. Ich wiegte ihn. Ich flüsterte ihm zu: »Die Blume, die du liebst, ist nicht in Gefahr … Ich werde ihm einen Maulkorb zeichnen, deinem Schaf … Ich werde dir einen Zaun für deine Blume zeichnen … Ich …« Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Ich kam mir sehr ungeschickt vor. Ich wusste nicht, wie ich zu ihm gelangen, wo ich ihn erreichen konnte … Es ist so geheimnisvoll, das Land der Tränen.
VIII
Bald sollte ich jene Blume besser kennen lernen. Es hatte auf dem Planeten des kleinen Prinzen immer schon Blumen gegeben, sehr einfache, aus einem einzigen Kranz von Blütenblättern geformt; sie spielten keine große Rolle und störten niemanden. Sie leuchteten eines Morgens im Gras auf und erloschen am Abend. Aber jene eine hatte eines Tages Wurzeln geschlagen, aus einem Samen, weiß Gott woher, und der kleine Prinz hatte diesen Spross, der den andern Sprösslingen nicht glich, sehr genau überwacht. Das konnte eine neue Art Affenbrotbaum sein. Aber der Strauch hörte bald auf zu wachsen und begann, eine Blüte anzusetzen. Der kleine Prinz, der der Entwicklung einer riesigen Knospe beiwohnte, fühlte wohl, es müsse eine wunderbare Erscheinung aus ihr hervorgehen, aber die Blume wurde nicht fertig damit, sich in ihrer grünen Kammer auf ihre Schönheit vorzubereiten. Sie wählte ihre Farben mit Sorgfalt, sie zog sich langsam an, sie ordnete ihre Blütenblätter eins nach dem andern. Sie wollte nicht wie die Mohnblüten ganz zerknittert herauskommen. Sie wollte nicht früher erscheinen als im vollen Ornat ihrer Schönheit. Nun ja! sie wollte gefallen. Ihre geheimnisvolle Toilette hatte also Tage und Tage gedauert. Und dann, eines Morgens, gerade zur Stunde des Sonnenaufgangs, hatte sie sich enthüllt.
Und sie, die mit solcher Genauigkeit gearbeitet hatte, sagte gähnend:
»Ach! ich bin kaum aufgewacht … Ich bitte um Verzeihung … Ich bin noch ganz zerrauft …«
Da konnte der kleine Prinz seine Bewunderung nicht mehr verhalten:
»Wie schön Sie sind!«
»Nicht wahr?«, antwortete sanft die Blume. »Und ich bin zugleich mit der Sonne geboren …«
Der kleine Prinz erriet wohl, dass sie nicht allzu bescheiden war, aber sie war so rührend!
»Ich glaube, es ist Zeit zum Frühstücken«, hatte sie bald hinzugefügt. »Hätten Sie die Güte, an mich zu denken?«
Und völlig verwirrt hatte der kleine Prinz eine Gießkanne mit frischem Wasser geholt und die Blume begossen.
So hatte sie ihn sehr bald schon mit ihrer etwas scheuen Eitelkeit gequält. Eines Tages zum Beispiel, als sie von ihren vier Dornen sprach, hatte sie zum kleinen Prinzen gesagt:
»Sie sollen nur kommen, die Tiger, mit ihren Krallen!«
»Es gibt keine Tiger auf meinem Planeten«, hatte der kleine Prinz eingewendet, »und die Tiger fressen auch kein Gras.«
»Ich bin kein Gras«, hatte die Blume sanft geantwortet.
»Verzeihen
Weitere Kostenlose Bücher