DER KLEINE TOD (German Edition)
waren gute Plätze, in der Nähe des Brautpaares, das sich derzeit jedoch nicht dort befand, weil es durch die Halle schritt und Gespräche mit den zahlreich erschienenen Gästen führte.
"Ich setze mich doch nicht auf den Boden", knurrte Gan`karr.
"Du kannst dir ein Kissen nehmen", meinte Ernat ironisch.
"Auf dem Boden zu sitzen, ist viel zu gefährlich", zischte Gan`karr.
"Die Tu` haben damit niemals Schwierigkeiten", erklärte Ernat.
Nervös zischelte Gan`karr mit seiner Echsenzunge. Dann setzte er sich. Da die Halle bereits ziemlich voll und kein Dienstbote greifbar war, bot sich Ador an, Essen zu holen.
"Ist dieser Junge so etwas wie ein Dienstbote?", fragte Gan`karr.
"Ador ist ein Neffe des Herrn der Oase zum Gelben Felsen. Er nimmt im Clan eine hohe Position ein", erklärte Ernat.
Ungläubig schüttelte Gan`karr den Kopf. Er hüllte sich in Schweigen. Später, als er gegessen und getrunken hatte, hörte er zu, wie Ernat im Dialekt der Tu` über die Schlacht berichtete. Natürlich war es keine richtige Schlacht gewesen, nur eine durch die Grakar erzwungene Manöverübung. Aber Ernat schmückte seine Geschichte ziemlich heldenhaft aus. Hin und wieder lachte Gan`karr ironisch auf, doch ansonsten blieb er stumm. Ernat hatte das Recht des Gastgebers auf seiner Seite. Auf seinem Planeten Grakar würde Gan`karr genug Gelegenheit haben, seine eigene Version zum Besten zu geben.
Als Musiker die Halle betraten und aufspielten, unterbrach Ernat seine Erzählungen, sprang auf und setzte zu einer Arie an. Wohl oder übel tat Gan`karr es ihm nach. Als auch Ador mit seiner klaren Stimme einfiel, applaudierten einige in der Nähe stehende Gäste.
Auf dem Kissenlager von Drusus ausgestreckt presste sich der Grakar-Anführer Darr die Hände an die Ohren und knurrte verärgert:
"Das ist Patarin Gan`karr. Er kann überhaupt nicht singen."
"Es hört sich ungewöhnlich an", entgegnete Drusus diplomatisch. Glücklicherweise überließ Gan`karr das Singen bald anderen, die mehr davon verstanden und der narbengesichtige Darr bedeutete seiner Begleiterin Vash damit fortzufahren, ihm Fleischstücke zu reichen, die er unzerkaut schluckte. Hinter seinem Schleier verborgen beobachtete Drusus fasziniert das Essverhalten dieser farbenprächtig geschuppten ul`chanischen Echse, dem Abkömmling eines Volkes, das offiziell den Kindern Uls zugerechnet wurde, aber von allen ul`chanischen Stämmen dem ursprünglichen imperialen Volk wohl am unähnlichsten war. Überall in der Konföderation galten die Grakar als das hässlichste Volk des Imperiums, was diesen allerdings nicht das Geringste ausmachte. Die Grakar hatten ihre eigenen Schönheitsideale und hielten ihrerseits die Abkömmlinge der anderen Stämme für hässlich. Gerade deshalb wunderte sich Drusus, dass Darr von seiner Begleiterin so angetan zu sein schien, denn sie war keine Grakar und entsprach dem Schönheitsideal der anderen Stämme in geradezu atemberaubender Weise. Darr hatte sie Drusus als Austauschoffizier der Freibeutergilde vorgestellt und ihn vorsichtshalber darauf hingewiesen, dass die junge Frau zudem eine halbe Delairianerin war und damit eine Pheromontalentierte. Beeindruckt von der Schönheit der Frau hatte Drusus ihr manchen wohlwollenden Blick zugeworfen, was ihm bisher zwei schmerzhafte Ellbogenhiebe seiner überaus eifersüchtigen Frau Tamine in seine Rippen eingebrachte hatte. Was war es, das Darr und Vash trotz aller Unterschiede zueinander führte? Darr war schon allein deshalb hässlich, weil er ein Grakar war. Darüber hinaus verunstaltete eine Brandnarbe seine rechte Wange, die sich leicht durch eine Nano-Korrektur würde beseitigen lassen, aber aus irgendeinem Grund verzichtete Darr darauf. Tamine mochte ihn kaum ansehen, wenn er mit ihr sprach. Drusus hoffte, dass sie im Laufe des Abends dem Grakar gegenüber noch auftaute, weil er sie sich sonst noch würde vorknöpfen müssen. Was fand Vash an Darr? Oder band sie nur der unbedingte Gehorsam an den Grakar? Aber weshalb sollte er ausgerechnet eine Pheromontalentierte in sein Bett befehlen? Die Grakar reagierten auf pheromonale Beeinflussung viel weniger empfänglich als andere Spezies. Und da sie unfähig waren, Pheromonräusche zu erleben, legten sie auch nicht die gleiche Begeisterung an den Tag, wenn sie einer pheromontalentierten Person begegneten.
***
Kito bewegte sich mit einer Arroganz durch die Halle, die denen der Krieger in nichts nachstand. So mancher Tu` warf ihm einen heißen Blick zu, aber er
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