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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Notizbuch und schrieb: Thornwood zu Hause befragen. Die Enkelinnen auch. In sämtlichen Läden in der Umgebung nach den beiden Touris fragen. Erkundigen, ob sie beim Ladendiebstahl ertappt worden sind. Cedric die Liste mit den Inhabern von Kundenkonten auf Vorstrafen überprüfen lassen. Beim zuständigen Polizeirevier nachfragen, ob es an besagtem Abend irgendwelche Einsätze in der Gegend gegeben hat.
    Ms. Clairborne kehrte mit den Ausdrucken zurück. »Bitte sehr, Lieutenant.«
    Driscoll nahm die Blätter und bedankte sich erneut. »Eines noch, bevor ich gehe. Haben Sie in letzter Zeit irgendwelchen Ärger in der Ladenpassage bemerkt? Oder hat sich irgendein Ladenbesitzer über auffällige Fremde beschwert, die nicht in die Gegend gehören?«

    »Nein, nein. Das hier war schon immer eine sichere Gegend.«
    Ob Mrs. McCabe das genauso empfunden hat?, überlegte Driscoll.
    Er reichte Ms. Clairborne seine Visitenkarte und bat sie, ihn anzurufen, wenn ihr noch etwas einfiele. Driscoll erwiderte das Lächeln der Frau und verließ den Laden. Draußen betrachtete er die Blätter in seiner Hand und fragte sich, ob auf ihnen die Antwort zu finden war.

9. KAPITEL
    Der U-Bahn-Waggon rauschte melodisch. Colm wartete am Gleis, bis der Zug der Linie A zum Stehen kam, und genoss es, wie das Material vor Erschöpfung und Rost ächzte. Neben ihm stand seine Arzttasche. Er freute sich auf sein nächstes Rendezvous.
    Ein Mädchen ging am Bahnsteig auf und ab. Sie wirkte einsam und verzagt. Hatte sie sich gerade von ihrem Freund getrennt? Colm hätte sie trösten können, wenn er nicht verabredet gewesen wäre. Vielleicht ein andermal.
    Das Mädchen stieg direkt vor ihm in die U-Bahn. Die Türen schlossen sich scharrend. Colm stellte sich vor die junge Frau und beobachtete, wie sie ihre schmalen Finger um die verchromte Haltestange im Waggon schlang. Unter der Neonröhre musterte er sie, diesen Engel ohne Flügel. Ihr Gesicht hätte einen Raffael inspirieren können, und ihr Körper war ätherisch und sinnlich zugleich. Durch einen Spalt zwischen zwei Knöpfen ihres Leinentops erkannte er die Wölbung einer Brust. Das Kleidungsstück
verhüllte ihr Geheimnis, den Duft unberührter Haut. War sie sich ihrer Fleischlichkeit bewusst?
    Er schätzte sie auf sechzehn, höchstens ein, zwei Jahre älter. Das Gewicht eines Rucksacks, den sie auf den Schultern trug, zwang ihren Oberkörper nach hinten, sodass ihre Brüste hervorstanden. Ihr Haar war rotblond und kurz geschnitten. Sie trug weder Make-up noch Schmuck, und ihre Augen waren blau wie der Sommerhimmel.
    Er malte sich den Bau ihres Skeletts unter ihrer äußeren Schönheit aus. Sie könnte mit all seinen Schätzen mithalten.
    An der Haltestelle Beach Fünfundsiebzigste Straße stieg sie aus. Es drängte ihn, ihr zu folgen, doch seine Beine verweigerten den Befehl. Ein anderes Mädchen erwartete ihn. Er blieb in der Bahn. Die hier würde er ziehen lassen. Sekunden später kam der Zug an seiner Haltestelle an.
    »Beach Siebenundsechzigste Straße«, tönte es knisternd aus dem Lautsprecher, und die Türen gingen auf.
    Er stieg die Treppe hinunter, eine Hand auf dem altersschwachen Geländer. Eine Horde Schüler im Teenageralter kam heraufgetrampelt und hätte ihn fast umgeworfen. Seine Finger sehnten sich nach einer gezahnten Klinge.
    Draußen auf der Straße hieß ihn die Sonne willkommen. Der Anblick der vielen verlassenen Strandbungalows ließ ihn schmunzeln, als er auf die Strandpromenade mit ihren hölzernen Planken zuging, voller Freude darüber, dass seine Verabredung für ihr Treffen einen vom städtischen Treiben so abgelegenen Ort gewählt hatte.
    Er stieg die sonnengetränkten Holzstufen hinauf. Der Plankenweg war menschenleer. Er war sich sicher,
dass sie Beach Siebenundsechzigste Straße gesagt hatte. Hatte sie ihn auf den Arm genommen? Er ließ den Blick über den schmalen Strand schweifen. Vereinzelt saßen ein paar Sonnenanbeter herum. Am Wellensaum tauchte eine junge Frau die Zehen in die zurückgehende Flut. Das Sonnenlicht schimmerte durch ihr zartes Kleid. Konnte das seine Verabredung sein? Von weitem war es schwer zu sagen.
    Er streifte Schuhe und Socken ab und ging auf sie zu. Ein Gedanke lauerte am Rand seines Bewusstseins. Eigentlich waren sämtliche Vorgaben für eine romantische Begegnung erfüllt. Er dachte an das Mädchen in der U-Bahn. Wäre es nicht befriedigend gewesen, wenn er sein Herz lehren könnte, sich nach der Zärtlichkeit einer Frau zu sehnen? Die

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