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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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rausgejagt hat.« Über Driscolls Schulter hinweg musterte er die Möwen. »Ziemliche Mistviecher, diese Möwen. Also, jedenfalls bin ich unter den Plankenweg gekrochen. Die ersten zweieinhalb Meter kann man noch stehen, wenn man sich ein bisschen duckt, aber dann muss man in die Hocke gehen. Da unten wartet eine wirklich grausige Leiche auf Sie. Ich habe auf der Stelle die Spurensicherung gerufen. Larry Pearsol und seine Leute waren in fünfzehn Minuten da. Und jetzt sind Sie da.«
    »Und jetzt bin ich da«, murmelte Driscoll, während er die triste Umgebung musterte.
    »Wissen Sie was, Lieutenant? Ich beneide Sie nicht um Ihren Job. Das hier ist eindeutig Opfer Nummer zwei. Das heißt, dass es jetzt ganz schnell sehr eng wird.«
    »Das können Sie laut sagen. Aber ich glaube, ich muss jetzt mal meinen Gang unter die Planken antreten. Anscheinend ist außer mir schon jeder dort gewesen.«
    Driscoll ging auf die höhlenartige Öffnung unter der Strandpromenade zu, wo ihn zwei uniformierte Beamte erwarteten. »Sir, vielleicht können Sie das hier gebrauchen«, sagte einer von ihnen und hielt Driscoll eine Dose Wick VapoRub und eine Taschenlampe hin.
    Driscoll rieb sich ein wenig von der Salbe unter jedes
Nasenloch und streifte ein Paar OP-Handschuhe über, ehe er unter die Planken trat. Trotz des Mentholbalsams löste der Gestank verwesten Fleisches einen Brechreiz aus. Driscoll beschloss, nur noch durch den Mund zu atmen.
    Drei Meter weiter fand er das, woran sich die Vögel gütlich getan hatten. Die verstümmelten Reste eines menschlichen Körpers hingen angenagelt an den Planken der Strandpromenade. Aus Muskeln troff grünliche Flüssigkeit, und es wimmelte von Maden. Im Schein der Taschenlampe schillerte das Fleisch in allen Farben. Etwas Metallisches stach Driscoll ins Auge. Ein goldener Ring, mitten in einem Stück herabhängenden Fleisches. Das muss eine ihrer Hände sein, mutmaßte er. Aber nein, das war ausgeschlossen, denn der Mörder hatte die Hände ja mitgenommen.
    »Dieses Schwein«, stöhnte Driscoll. Es war ihre Klitoris, an der sie ein goldenes Piercing getragen hatte. Warum hatte der Mörder diesen Körperteil so zur Schau gestellt? War es Zufall? Eine Nachlässigkeit, begangen von einem aufgewühlten Mörder? Oder steckte eine Botschaft darin, dass er den Ring nicht entfernt hatte? Eine Botschaft vom unbekannten Täter an den Fahnder? Mit einer behandschuhten Hand betastete Driscoll vorsichtig den Ring. War der Mörder ein Körperkünstler, ein Piercing-Fetischist, der irgendwann die zarte Haut der Geschlechtsteile der jungen Frau durchbohrt und diesen metallenen Ring hindurchgeschoben hatte? Bei der Laboruntersuchung würde sich herausstellen, aus was für einer Legierung er bestand. Der Killer musste wissen, dass die Polizei den Hersteller des Schmuckstücks ausfindig machen würde. Und damit wären der Piercing-Künstler
und vielleicht auch der Killer gefasst. Wollte er die Polizei verhöhnen? War dies ein Spiel?
    Driscoll griff nach dem im Staat New York ausgestellten Führerschein, der direkt unter der Leiche im Sand lag. Monique Beauford. Neunzehn Jahre alt. Der Mörder könnte ein Exhibitionist sein, überlegte Driscoll. Er hinterlässt sein Gemetzel, als wäre es ein Kunstwerk, und benutzt den Führerschein, um sein Opfer zu identifizieren. Deirdre McCabe war in einem öffentlichen Park gefunden worden - und jetzt dieses Opfer an einem öffentlichen Strand. Verbarg sich darin eine Botschaft?
    Driscoll sah in das Gesicht auf dem Führerscheinfoto. Eine junge, kecke Blondine erwiderte seinen Blick. »Vielleicht hat er einen Fehler gemacht. Er könnte versehentlich einen Fehler gemacht haben«, murmelte er. Es gab eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Morden, nicht nur darin, wie die beiden Frauen abgeschlachtet worden waren, sondern auch darin, wo der Mörder die Leichen deponiert hatte: in öffentlichen Naherholungsgebieten, wo er sicher sein konnte, dass sie gefunden würden.
    Driscoll zog eine Plastiktüte für Beweismittel aus der Brusttasche und steckte Monique Beaufords Führerschein hinein. Schließlich musterte er die Nägel, die der Killer benutzt hatte, und flehte innerlich darum, dass die Wunden nach dem Tod des Opfers entstanden waren.
    »Ich fasse diesen Dreckskerl. Das schwöre ich«, erklärte er, während er dem Opfer den Rücken zukehrte und zum Strand zurückstapfte.

12. KAPITEL
    Cedric Thomlinson sah auf die Uhr und stellte den Motor seines Dodge Intrepid ab. Er kam fünf

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