Der Knochendieb
meldete, unterbrach er die Verbindung. Entmutigt kehrte er in sein Büro zurück, wo er etliche neue E-Mails vorfand. Er zog sich einen Stuhl heran und las mit wachsender Besorgnis die Reihe elektronischer Botschaften:
Catherine, ich bin perplex! Ich bin baff! Ich bin ratlos! Ich habe bei der Suche nach unserem Donny mit den Honiglippen alle Register gezogen, doch ohne Erfolg. Beherrscht unser Don Juan die Kunst, sich unsichtbar zu machen, oder war er seit jeher reine Fiktion? Es träfe mich hart, wenn ich annehmen müsste, dass du ihn erfunden hast. Das wäre nicht fair. Oder?
Godsend
Godsend, du bist wirklich ein Witzbold. Ich soll Donny erfunden haben? Das ist ja grotesk. Wäre es denkbar, dass du doch kein so großer Zauberer bist, wie du behauptest? Besorg dir mal einen neuen Zauberstab. Donato Tesorio hat gelebt! Und ich prophezeie, er lebt noch! Ich schlage vor, du versuchst es noch einmal. Streng dich an!
Catherine
Catherine, nein. Dein Donny wurde nie geboren, außer in deiner perversen Fantasie. Ich lege dir Cyber-Betrug in drei Punkten zur Last. Erstens: Fälschung einer Identität. Zweitens: Kriminelle Nutzung der Datenautobahn im Internet mit unlauteren Absichten. Drittens: Ganz schlechte Netiquette. Ich schwöre bei den Göttern Ram und Pixel, dass ich dich in
Ketten zum ökumenischen Rat des mächtigen Magellan Online schleppen werde. Dort wird man dir deine Festplatte nehmen, dich an deinen Joystick fesseln und dich verbrennen. Mögen sie dein Modem für alle Zeiten beschlagnahmen, du Cyber-Sünderin, du.
Godsend
Godsend, lassen wir doch den Quatsch. Ich weiß, wer du bist. Die Tussi an den Plankenweg zu nageln war der Hammer. Die Nine Inch Nails haben in jener Nacht Tränen über dich vergossen. Was bist du doch für ein Romantiker. Du hast wirklich eine ganz besondere Art, mit Frauen umzugehen. Juble, oh du Finsterling der Nacht. Nur ich und ich allein kenne deinen Unterschlupf. Und während New Yorks Freunde und Helfer langsam das Rätsel aufdröseln, werde ich, der Cyber-Maulwurf, mich ganz nah an dein wurmiges Herz heranwühlen. Im Internet-Inferno hat Dante einen neuen Kreis der Hölle für deinesgleichen programmiert. Dein Gigabyte-Hirn wird bis in alle Ewigkeit schmoren. Catherine
Catherine, was bist du doch für eine Schlimme. Du hast mich viel Schlaf gekostet, du Milbe auf dem Rücken des großen Tyrannosaurus. Dämonen der Erde, erwachet! Jetzt bin ich gezwungen, dich bis in alle Ewigkeit im Cyberspace zu jagen. Sag mir, oh Erleuchtete, wie hast du mich gefunden? Beantworte mir diese Frage, und ich mache dich reich wie Krösus.
Godsend
Godsend, ich bin der Pfadfinder, Shivas drittes Auge. Ich surfe durch die Wogen des Internets wie ein Mädchen aus Maui durch die Brecher vor Hawaii. Sag mal, ergeben die Knochen eigentlich eine gute Bouillon, oder vergräbst du sie, wie es Wildhunde tun?
Catherine
53. KAPITEL
Hinter der Freiheitsstatue überzog die untergehende Sonne den Himmel mit flüssigem Gold und entzündete ein Farbenmeer, das die Skyline von Manhattan in Scharlachrot und Orange tauchte. Doch dieser Anblick war ohne jeden Reiz für den Mann, der allein auf dem Oberdeck des South Street Seaport auf einer hölzernen Bank saß und auf den Bildschirm seines Laptops starrte.
»Vergräbst du sie, wie es Wildhunde tun?«
Die Worte ragten bedrohlich auf dem Bildschirm auf und quälten ihn. Noch nie hatte ihn eine Beleidigung so tief getroffen. Colm klappte den Laptop zu und warf ihn ins Wasser des Seaport, ehe er auf den Parkplatz zurückkehrte, wo er seinen Van stehen hatte.
Ihre letzte Nachricht hatte ihn umgeworfen. Er fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Beutetier und zerbrach sich den Kopf über seine Verfolgerin, diese Frau, die auf der Suche nach seinem Köder durchs Internet gesurft war. Dass sie ihn gefunden hatte, erboste ihn, denn ihre Einmischung machte es nun erforderlich, dass er sich einen anderen Köder suchte.
Er hielt inne. Langsam breitete sich ein Lächeln auf
seinen Zügen aus. Er war ja gar nicht gefunden worden. Sie hatte lediglich Godsend gefunden, und der lag nun zehn Meter unter der Wasseroberfläche auf dem Grund des East River. Die einzige Unannehmlichkeit für ihn bestand darin, dass er sich eine andere Methode einfallen lassen musste, um zukünftige Sammlerstücke auszuwählen und anzulocken. Diese Erkenntnis tröstete ihn zwar, doch als er zu Hause anlangte, war er müde und lustlos. Er ließ sich aufs Wohnzimmersofa
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