Der Knochendieb
hakte Margaret nach.
»Wer sollte etwas gegen Didi haben? Sie war eine wunderbare Frau.«
»Definieren Sie bestens«, verlangte Driscoll.
»Wie bitte?«
»Bestens. Sie haben vorhin gesagt, Ihre Ehe sei bestens gelaufen.«
McCabes Augen wurden schmal. Driscoll hatte ihn an einem empfindlichen Punkt erwischt.
»Ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen. Sie glauben, es hätte irgendwas mit Untreue zu tun. Tja, da täuschen Sie sich. Und zwar massiv. Ich gebe ja zu, dass unsere Ehe Ballast an Bord hatte. In welcher Ehe wäre das anders? Wenn man lange genug mit jemandem zusammenlebt, schwindet die Leidenschaft. Aber wenn Sie glauben, Didi hätte eine Affäre gehabt, sind Sie auf dem Holzweg. Da bin ich mir sicher. Glauben Sie mir, ich wüsste davon.«
McCabes Blick hielt dem Driscolls stand.
Driscoll ließ es dabei bewenden. Er streckte die Hand aus und legte sie dem trauernden Mann auf die Schulter. »Es tut mir leid, dass ich das, was Ihrer Frau passiert ist, nicht ungeschehen machen kann«, sagte er. »Aber ich verspreche Ihnen etwas. Ich werde mein Möglichstes tun, um diesen Mann zu fassen, obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, dass es sich um einen Mann handelt.«
»Was meinen Sie damit?«
Driscoll ließ den Blick zu Margaret schweifen. »Diesmal haben wir es, glaube ich, mit einem Dämon zu tun.«
7. KAPITEL
Der grausige Mord setzte das politische Räderwerk der Stadt in Gang. Der Polizeipräsident und der Bürgermeister höchstpersönlich setzten Captain Eddie Barrows unter Druck, welcher daraufhin Driscoll klarmachte, dass er in dem mittlerweile sechsunddreißig Stunden alten Fall erste Ergebnisse liefern solle, ehe die nächste Schlagzeile die New Yorker Polizei der Unfähigkeit bezichtigte. Die New York Post hatte ebenso wie die Daily
News den Killer mit dem passenden Namen »Der Schlächter« versehen und langwierige, mühsame Ermittlungen prophezeit, da die Polizei - wie es Stephen Murray von der Post ausdrückte - »noch völlig im Dunkeln« tappe. Die reißerische Berichterstattung beider Blätter löste die ersten Anzeichen von Paranoia in der New Yorker Bevölkerung aus.
Driscoll ging in der Einsatzzentrale auf und ab. Diese befand sich in einem großen Raum im vierzehnten Stock der Police Plaza eins. Obwohl man von dort aus einen Panoramablick auf die Brooklyn Bridge und einen Teil des New Yorker Hafens hatte, nannten die Mitarbeiter der Mordkommission sie hartnäckig den Bunker. Dort wurden Strategien entwickelt, Anweisungen erteilt und in besonders schrecklichen Verbrechen sowie aufsehenerregenden Kriminalfällen ermittelt. Die erbsengrünen Wände des Bunkers hingen voller Fotos und Details von dieser jüngsten Gräueltat. Margaret und Driscoll brachten ihren Kollegen Detective Cedric Thomlinson auf den neuesten Stand.
»Ich habe gehört, der Kerl hat ihr den Führerschein in die Vagina gesteckt wie in den Schlitz eines Bankautomaten«, sagte Thomlinson und schenkte sich Kaffee ein. »Vielleicht hat er ja Ärger mit seinem überzogenen Konto.« Thomlinson stammte aus Trinidad und betrachtete die Welt mit offenem und unverklemmtem Blick.
»Ich habe noch mehr Bilder«, bot Driscoll an.
»Danke, verzichte.«
Driscoll nahm sein unruhiges Wandern wieder auf, blieb jedoch bald neben einem großen Stadtplan von New York stehen, der mit Reißnägeln an der Ostwand der Einsatzzentrale befestigt war.
»Hier wurde ihr Volvo stehen gelassen«, erklärte er, mit dem Finger auf einem kleinen blauen Fähnchen, das Canarsie markierte, ein Viertel in Brooklyn. »Und hier hat man ihre Leiche gefunden.« Er fuhr mit dem Finger zu einem roten Fähnchen im Prospect Park. »Es liegen etwa zehn Meilen zwischen dem Volvo und der Ablagestelle.«
Während er sich selbst über die Tote sprechen hörte, musste Driscoll an die Parallele zu seinem eigenen Leben denken. Hatte nicht auch bei ihm ein grausames Schicksal zugeschlagen und ihm die Frau genommen? Sicher, Colettes Körper war intakt. Sie war nicht entbeint worden. Doch das spielte keine Rolle, da ihre Seele geraubt worden war.
»Wenn bei uns in Trinidad Knochen fehlen, vermuten wir meistens einen Ritualmord«, sagte Thomlinson. »Was wissen wir über das Opfer?«
Was wussten sie über die Tote? Driscolls Gedanken schweiften ab. Seine Frau liebte Kunst. Kunst war ihr Leben. Ihre ganze Existenz drehte sich darum. Und sie liebte ihre Familie. Nicole war ihr Sonnenschein. Sie war meine Frau, verdammt noch mal. Sie war meine Frau! Wisst ihr, wie es
Weitere Kostenlose Bücher