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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Verdächtige. Mit denen hat mich nichts verbunden, es waren keine Cops. Aber was Ihnen passiert ist... das war eine Sünde. Es war einfach ein gottverfluchtes Unrecht.«
    »Ich war kein Anfänger mehr«, sagte Rhyme. »Ich hätte nicht an einem Tatort arbeiten müssen, den ich für nicht sicher hielt.«
    »Aber -«
    »Komme ich ungelegen?« ertönte eine Stimme von der Tür her.
    Rhyme blickte auf, erwartete Berger. Doch es war Peter Taylor, der lautlos die Treppe heraufgestiegen war. Rhyme fiel ein, daß er heute vorbeikommen wollte, um seinen Patienten nach dem jüngsten Anfall von Dysregulation zu untersuchen. Außerdem vermutete er, daß ihm der Arzt wegen Berger und dessen Sterbehilfe-Organisation die Hölle heiß machen wollte. Er hatte keine Lust darauf; er wollte allein sein, um Pollings Geständnis zu verdauen. Im Moment war er noch wie betäubt davon, empfand überhaupt nichts. Doch er sagte: »Treten Sie ein, Peter.«
    »Sie haben ja komische Sicherheitsvorkehrungen getroffen, Lincoln. Der Posten fragte, ob ich Arzt sei, und ließ mich dann passieren. Was soll das? Werden Anwälte und andere Berufstände etwa abgewiesen?«
    Rhyme lachte. »Ich bin gleich für Sie da.« Er wandte sich wieder an Polling. »Schicksal, Jim. Nichts anderes ist das gewesen. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. So was kommt vor.«
    »Danke, Lincoln.« Polling legte die Hand an Rhymes rechte Schulter und drückte sie leicht.
    Rhyme nickte, und weil er dieser peinlichen Dankesbezeigung ein Ende bereiten wollte, stellte er die beiden Männer einander vor. »Jim, das ist Peter Taylor, einer meiner Ärzte. Und das ist Jim Polling. Wir haben früher zusammengearbeitet.«
    »Angenehm«, sagte Taylor und streckte die rechte Hand aus. Es war eine ausladende Bewegung, in deren Verlauf Rhyme eine tiefe, halbmondförmige Narbe an Taylors rechtem Zeigefinger bemerkte.
    »Nein!« schrie Rhyme.
    »Sie sind also ebenfalls Polizist.« Taylor ergriff Pollings Hand, und im gleichen Moment stieß er dem Captain das Messer, das er in der Linken hielt, dreimal in die Brust - zwischen den Rippen hindurch, gekonnt wie ein Chirurg. Zweifellos, um die kostbaren Knochen nicht zu beschädigen.
     
     
    SECHSUNDDREISSIG
    Mit zwei großen Schritten war Taylor am Bett. Er riß das elektronische Steuerpult an sich und schleuderte es quer durch das Zimmer.
    Rhyme holte tief Luft und wollte losschreien. Doch der Arzt sagte: »Er ist ebenfalls tot. Der Konstabler.« Er nickte zur Tür hin, meinte den Leibwächter unten. Taylor schaute wie gebannt zu, als Polling sich wie ein weidwundes Tier aufbäumte.
    »Jim!« schrie Rhyme. »Nein, o nein ...«
    Der Captain hatte die Hände an die Brust gedrückt. Ein fürchterliches Gurgeln drang aus seiner Kehle, begleitet von dumpfen Schlägen, als er mit den Füßen auf den Boden trommelte. Schließlich zitterte er noch einmal heftig und blieb dann still liegen. Blicklos starrten seine gebrochenen Augen zur Decke.
    Sein Mörder drehte sich zu Lincoln Rhyme um, er ließ ihn nicht aus den Augen, während er um das Bett herumging. Langsam umkreiste er es, das Messer in der Hand. Er atmete schwer.
    »Wer sind Sie?« keuchte Rhyme.
    Schweigend trat Taylor einen Schritt vor, legte die Hand um Rhymes Arm und drückte mehrere Male zu, betastete den Knochen. Er ergriff Rhymes linken Ringfinger, strich mit der blutigen Klinge darüber. Dann schob er die Spitze unter den Nagel.
    Es war kein richtiger Schmerz, eher eine Art Kitzeln. Dann stieß er fester zu. Rhyme keuchte auf.
    Plötzlich bemerkte Taylor etwas. Er erstarrte, verschluckte sich fast. Beugte sich vor. Betrachtete die in das Umblättergerät eingespannte Ausgabe von Berühmte Kriminalfälle im alten New York.
    »Deshalb also ... Sie haben es tatsächlich gefunden ... Oh, die Konstabler sollten stolz sein, daß sie Sie in ihren Reihen haben. Ich dachte, es würde noch tagelang dauern, bis Sie auf das Haus stoßen. Ich dachte, die Hunde hätten bis dahin ihr Werk vollbracht.«
    »Warum tun Sie das?« fragte Rhyme.
    Doch Taylor antwortete nicht. Er untersuchte Rhyme eingehend und murmelte dabei halb zu sich selbst: »Sie waren nicht immer so gut. Früher nicht. Damals haben Sie allerhand übersehen, nicht wahr? In früherer Zeit.«
    In früherer Zeit... was meinte er damit?
    Er schüttelte den Kopf - das schüttere Haar war grau, nicht braun - und warf einen Blick auf eins von Rhymes Büchern: Spurenlehre, ein forensisches Handbuch. Rhyme sah ihm an den Augen an, daß er

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