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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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New Jersey. Rhyme hatte gehofft, daß sich die Suche nach dem Unbekannten auf Manhattan eingrenzen ließe - wo an diesem Morgen das Opfer gefunden worden war. »Wenn er den ganzen Großraum mit einbezieht, ist die Suche aussichtslos.«
    »Ich sehe noch etwas anderes«, sagte Cooper. »Ich glaube, es ist Kalk. Aber sehr alt. Körnig.«
    »Beton vielleicht?« schlug Rhyme vor.
    »Möglicherweise. Ja. Aber dann verstehe ich die Muschelschalen nicht«, fügte Cooper nachdenklich hinzu. »Die Austernbänke rund um New York sind voller Bewuchs und Schlick. Das hier ist mit Beton durchsetzt und weist keinerlei pflanzliche Stoffe auf.«
    »Die Ränder!« stieß Rhyme aus. »Wie sehen die Schalenränder aus, Mel?«
    Der Techniker blickte durch das Okular. »Gebrochen, nicht abgeschliffen. Das Material hier wurde unter Druck pulverisiert. Keine Erosionsspuren durch Wasser.«
    Rhyme zog die Randel-Karte zu Rate und suchte sie von rechts nach links ab. Konzentrierte sich schließlich auf das Hinterteil des springenden Hundes.
    »Ich hab's!« rief er.
    Im Jahr 1913 errichtete E W Woolworth das sechzigstöckige, mit Terrakotta verkleidete und mit allerlei Wasserspeiern, Türmchen und Zinnen verzierte Bauwerk, das noch heute seinen Namen trägt. Sechzehn Jahre lang war es das höchste Gebäude der Welt. Weil das Muttergestein in diesem Teil von Manhattan über dreißig Meter unter dem Broadway liegt, mußten die Arbeiter tiefe Schächte ausheben und Stützpfeiler zum Verankern des Bauwerks einbringen. Nicht lange nach der Grundsteinlegung entdeckten Bauarbeiter die sterblichen Überreste des aus Manhattan stammenden Industriellen Talbott Soames, der 1906 entführt worden war. Die Leiche war in einer dicken weißen Sandschicht begraben, wie man zunächst meinte, doch in Wirklichkeit handelte es sich um zermahlene Austernschalen, ein Umstand, den die Boulevardpresse unter Verweis auf die geradezu zwanghafte Vorliebe des fettleibigen Unternehmers für reichhaltige Speisen weidlich ausschlachtete. An der Südostspitze von Manhattan gab es so viele Muschelschalen, daß man sie als Füllmaterial zum Aufschütten des Bodens benutzte. Ihnen verdankt zum Beispiel die Pearl Street ihren Namen.
    »Sie ist irgendwo in Downtown Manhattan«, verkündete Rhyme. »Vermutlich an der East Side. Und möglicherweise in der Nähe der Pearl Street. Sie wird in einem unterirdischen Versteck in einer Tiefe von etwa einem Meter fünfzig bis vier Meter fünfzig festgehalten. Womöglich auf einer Baustelle, vielleicht auch in einem Keller. In einem alten Gebäude oder einem Tunnel.«
    »Vergleiche das mit den Angaben vom Bundesumweltamt, Jerry«, befahl Sellitto. »Schau nach, wo dort Asbestsanierungen vorgenommen werden.«
    »An der Pearl Street? Da ist nichts.« Der junge Polizist hielt die Karte hoch, auf der er und Haumann die entsprechenden Stellen eingezeichnet hatten. »Es gibt etwa drei Dutzend Sanierungsmaßnahmen - in Midtown, in Harlem und in der Bronx. Aber keine einzige in Downtown.«
    »Asbest... Asbest...«, murmelte Rhyme versonnen. Was kam ihm daran so vertraut vor?
    Es war fünf nach zwei.
    »Bo, wir müssen loslegen. Schicken Sie Ihre Leute da runter und lassen Sie sie die Gegend absuchen. Sämtliche Häuser entlang der Pearl Street. Dazu die Water Street.«
    »Mann«, seufzte Haumann, »das ist ein ganzer Haufen Häuser.« Er ging zur Tür.
    »Lon, du solltest ebenfalls hin«, sagte Rhyme zu Sellitto. »Das wird ganz knapp. Die brauchen bei der Suche jeden, den sie kriegen können. Amelia, ich möchte, daß auch Sie da unten sind.«
    »Moment, ich habe gedacht -«
    »Officer«, versetzte Sellitto, »das ist ein Befehl.«
    Ihr schönes Gesicht verfinsterte sich etwas.
    Rhyme wandte sich an Cooper. »Mel, bist du mit einem Bus hergefahren?«
    »Mit einem SEW«, antwortete er.
    Die von der Stadtpolizei zur Ermittlung am Tatort eingesetzten Fahrzeuge waren für gewöhnlich schwere Kleinbusse voller Instrumente und allerlei Zubehör zum Sammeln und Sichern von Spuren, besser ausgerüstet als manches Kleinstadtlabor. Doch als Rhyme Leiter der IRD gewesen war, hatte er kleinere Fahrzeuge angefordert - Kombis in erster Linie -, die über die notwendigsten Geräte zum Sammeln und Auswerten von Spuren verfügten. Die schnellen Einsatzwagen wirkten unscheinbar, aber Rhyme hatte bei der Fuhrparkverwaltung darauf gedrängt, daß sie mit Turbo-Motoren vom Typ Police Interceptor ausgerüstet wurden. Im Einsatz hängten sie häufig die Streifenwagen ab,

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