Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
und ärgerlich und hielt dem Mädchen einen leicht variierten Vortrag darüber, daß sie sich das hübsche Gesicht zerstören und sich damit jede Chance verbauen werde, als Fotomodell eine Million Dollar zu verdienen.
    Als sie ihren Führerschein machte, wurde es eher noch schlimmer.
    Sachs zwängte sich jetzt zwischen zwei in zweiter Reihe parkenden Lastern durch und hoffte, daß weder der Fahrer noch der Beifahrer die Tür öffnete. In Null Komma nichts war sie vorbei.
    Wenn man in Schwung ist, kriegt einen keiner...
    Lon Sellitto knetete mit den Fingerspitzen sein rundliches Gesicht und achtete nicht auf den wilden Fahrstil. Er redete mit seinem Partner über den Fall, wie ein Buchhalter, der sich über einen Bilanzausgleich ausläßt. Banks indessen schielte nicht mehr hingerissen auf Sachs' Augen und Mund, sondern warf jede Minute mindestens einen prüfenden Blick auf den Tacho.
    Wild schlingernd kurvten sie an der Brooklyn Bridge vorbei. Sie dachte wieder an die Entführte, stellte sich T. J.s lange, elegante Nägel vor, während sie mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Wieder hatte sie das Bild vor Augen, das ihr nicht aus dem Sinn gehen wollte: die weiße Hand, die wie ein Birkenzweig aus dem feuchten Grab ragte. Der blutige Knochen.
    »Irgendwie spinnt er«, stieß sie plötzlich aus, um auf einen anderen Gedanken zu kommen.
    »Wer?« fragte Sellitto.
    »Rhyme.«
    »Meiner Ansicht nach«, warf Banks ein, »sieht er aus wie Howard Hughes' kleiner Bruder.«
    »Tja, das hat mich auch überrascht«, räumte der ältere Detective ein. »Hat nicht besonders gut ausgesehen. War mal ein hübscher Kerl. Aber na ja, ihr wißt schon. Nach dem, was er durchgemacht hat. Wieso gehen Sie auf Fußstreife, wenn Sie so fahren können, Sachs?«
    »Weil ich dazu eingeteilt wurde. Man hat mich nicht gefragt, man hat es mir befohlen.« Genau wie du, dachte sie. »War er wirklich so gut?«
    »Rhyme? Eher noch besser. Die meisten Jungs bei der New Yorker Kripo bearbeiten etwa zweihundert Leichenfunde pro Jahr. Höchstens. Rhyme hat doppelt so viele geschafft. Selbst als er die IRD geleitet hat. Nehmen Sie zum Beispiel Peretti. Er ist gut, aber er kommt höchstens alle zwei Wochen an einen Tatort, und auch das nur bei aufsehenerregenden Fällen. Aber das haben Sie nicht von mir, Officer.«
    »Nein, Sir.«
    »Aber Rhyme hat die Tatortarbeit persönlich erledigt. Und wenn er nicht an einem Tatort war, ist er rumgelaufen.«
    »Was hat er dabei gemacht?«
    »Einfach rumgelaufen. Sich umgeguckt. Er ist kilometerweit gelaufen. Quer durch die ganze Stadt. Hat allerlei Sachen gekauft, aufgelesen, gesammelt.«
    »Was für Sachen?«
    »Musterproben zur Spurenbestimmung. Erde, Zeitschriften, Radkappen, Schuhe, medizinische Fachbücher, Arzneimittel, Pflanzen... alles, was es gibt. Er hat es zusammengetragen und klassifiziert. Sie wissen schon - damit er sich anhand der Spuren eine Vorstellung machen konnte, wo sich der Täter aufgehalten und was er gemacht haben könnte. Jedesmal wenn man ihn erreichen wollte, war er irgendwo in Harlem, an der Lower East Side oder in Hell's Kitchen.«
    »Ist er für den Polizeiberuf erblich vorbelastet?«
    »Nein. Sein Vater war irgendein Wissenschaftler in einem staatlichen Laboratorium oder so was Ähnliches.«
    »Hat Rhyme Naturwissenschaften studiert?«
    »Ja. Wurde in Champaign-Urbana ausgebildet, hat zwei dolle Diplome. In Chemie und Geschichte. Keine Ahnung, warum. Seine Leute sind tot, seit ich ihn kenne. Das sind jetzt, Teufel noch mal, fast fünfzehn Jahre. Und er hat keine Geschwister. Er ist in Illinois aufgewachsen. Daher der Name Lincoln, nach dem großen Abraham.«
    Sie wollte fragen, ob er verheiratet sei oder gewesen war, ließ es aber sein. Statt dessen sagte sie: »Ist er wirklich so ein ...«
    »Sagen Sie's ruhig, Officer.«
    »Ein Ekel?«
    Banks lachte.
    »Meine Mama hatte einen bestimmten Ausdruck dafür«, erwiderte Sellitto. »Sie hat immer gesagt, jemand habe >seinen eigenen Kopf<. Tja, das trifft auf Rhyme zu. Er hat seinen eigenen Kopf. Einmal hat ein Kriminaltechniker aus lauter Blödheit einen Fingerabdruck mit Luminol - das ist ein Stoff, der auf Blutspuren reagiert -statt mit Ninhydrin eingesprüht. Hat den Abdruck zerstört. Rhyme hat ihn auf der Stelle gefeuert. Ein andermal war ein Cop am Tatort pissen und hat runtergespült. Mannomann. Rhyme ist vielleicht hochgegangen, hat ihm gesagt, er soll schleunigst runter in den Keller und alles zurückbringen, was im

Weitere Kostenlose Bücher