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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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so daß nicht selten ein erfahrener Kriminaltechniker zuerst am Tatort eintraf. Und das ist der Traum eines jeden Staatsanwalts.
    »Gib Amelia die Schlüssel.«
    Cooper reichte sie Sachs, die Rhyme kurz anstarrte, sich dann umdrehte und die Treppe hinuntereilte. Selbst ihre Schritte klangen wütend.
    »Also gut, Lon. Wo drückt der Schuh?«
    Sellitto warf einen Blick in das leere Treppenhaus und trat dann an Rhymes Bett. »Willst du ET. bei dieser Sache wirklich dabeihaben?«
    »ET?«
    »Sachs meine ich. ET. ist ihr Spitzname.«
    »Weswegen?«
    »Sag's nicht in ihrer Nähe. Bringt sie auf die Palme. Ihr Papa war vierzig Jahre lang Streifenpolizist. Deshalb wird sie die Plattfußtochter genannt.«
    »Du meinst also, ich hätte sie nicht aussuchen sollen?«
    »Nee, wegen mir nicht. Warum willst du sie dabeihaben?«
    »Weil sie eine zehn Meter tiefe Böschung hinuntergeklettert ist, damit der Tatort unversehrt bleibt. Außerdem hat sie eine Hauptstraße und die Bahnstrecke gesperrt. So was nenne ich Initiative.«
    »Komm schon, Linc. Ich kenne mindestens ein Dutzend Kripoleute, die genauso gehandelt hätten.«
    »Nun ja, aber ich wollte sie haben.« Und Rhyme warf Sellitto einen nachdrücklichen Blick zu, mit dem er ihn wortlos, aber unmißverständlich an die ausgehandelten Bedingungen erinnerte.
    »Ich will ja bloß auf eins hinaus«, grummelte der Detective. »Ich habe gerade mit Polling gesprochen. Peretti ist völlig außer sich, weil er übergangen worden ist, und falls - nein, ich sage wenn - die hohen Herren rauskriegen, daß eine Streifenpolizistin die Tatortarbeit übernimmt, gibt es einen Riesenärger.«
    »Vermutlich«, sagte Rhyme leise und blickte auf das Poster mit dem Täterprofil. »Aber ich habe das Gefühl, daß das der geringste Ärger sein wird, der uns heute blüht.«
    Und damit ließ er das müde Haupt auf das dicke Daunenkissen sinken.
     
     
    SIEBEN
    Der Kombi raste auf die engen, verrußten Straßenschluchten um die Wall Street in Downtown New York zu.
    Amelia Sachs trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, während sie sich vorzustellen versuchte, wo T. J. Colfax festgehalten werden mochte. Ihrer Ansicht nach war die Suche nach ihr völlig aussichtslos. Noch nie war ihr der näher rückende Finanzbezirk so riesig vorgekommen - überall Gassen, Mauerdurchbrüche und mit schwarzen Fernstem übersäte Häuser wände.
    So viele Stellen, an denen man eine Geisel verstecken konnte.
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie die aus dem Grab neben den Bahngleisen ragende Hand. Den Diamantring, der an einem blutigen Fingerknochen steckte. Sachs kannte diese Art Schmuck. Sie bezeichnete sie als Trostringe - so etwas kauften sich reiche, einsame Mädchen. Sie würde so einen tragen, wenn sie reich wäre.
    Sie raste in Richtung Süden, schlängelte sich zwischen Fahrradboten und Taxis hindurch.
    Dieser Teil der Stadt wirkte selbst am hellen Nachmittag und bei sengender Sonne noch gruslig. Die Häuser, auf denen sich dunkler, wie getrocknetes Blut aussehender Schmutz abgelagert hatte, warfen düstere Schatten.
    Sachs ging mit sechzig Stundenkilometern in eine Kurve, geriet auf dem weichen Asphalt kurz ins Schleudern, drückte das Gaspedal durch und beschleunigte den Kombi wieder auf neunzig Sachen.
    Hervorragender Motor, dachte sie. Und wollte feststellen, wie gut der Wagen bei Tempo hundertzehn lag.
    Vor vielen Jahren hatte Amie Sachs, damals noch ein Teenager, oft die Schlüssel zum Camaro ihres alten Herrn stibitzt, während dieser schlief - er arbeitete für gewöhnlich von drei bis elf -, hatte ihrer Mutter gesagt, sie ginge einkaufen und gefragt, ob sie vom Schlachter in Fort Hamilton ein paar Schnitzel mitbringen solle. Und noch ehe ihre Mutter sagen konnte: »Nein, aber du nimmst den Zug, du fährst nicht selber«, war sie schon verschwunden, hatte den Wagen angelassen und war gen Westen gerauscht.
    Drei Stunden später hatte sich Amie die Treppe hochgeschlichen, wo ihre Mutter sie aufgeregt und ärgerlich zur Rede gestellt und ihr - sehr zur Belustigung der Tochter - einen Vortrag darüber gehalten hatte, wie groß die Gefahr sei, daß sie schwanger werde, und daß sie sich dadurch jede Chance verbaue, mit ihrem hübschen Gesicht eine Million Dollar als Fotomodell zu verdienen. Und als Rose, so hieß ihre Mutter, schließlich erfuhr, daß ihre Tochter nicht herumvögelte, sondern lediglich mit hundertsechzig Stundenkilometern über die Schnellstraßen von Long Island fuhr, reagierte sie ebenso aufgeregt

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