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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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überquerten, so hatte er gemahnt, sollten sie lieber einen Schritt schneller gehen. Jetzt hatte sie genau das gleiche mulmige Gefühl - ein Kribbeln bis hinauf zu den blonden Stoppelhaaren.
    Blödsinn. Unholde ...
    Sie setzte ihren Weg durch den muffigen Kellergang fort, horchte auf das Summen irgendwelcher Elektrogeräte. Von weit weg hörte sie einen Song des zerstrittenen Brüderpaars von Oasis.
    Der Waschraum war dunkel.
    Tja, wenn hier ebenfalls die Birnen fehlten, reichte es ihr. Dann würde sie nach oben gehen und so lange an Herrn Neischens Tür trommeln, bis er angerannt kam. Die Hölle würde sie ihm heiß machen wegen der kaputten Schlösser an Vorder- und Hintertür und wegen der biersaufenden Kids, die ständig auf der Eingangstreppe herumhockten, ohne daß er sie verscheuchte. Und wegen der fehlenden Birnen würde sie ihm ebenfalls einheizen.
    Sie griff hinein und drückte auf den Schalter.
    Gleißendes Licht. Drei große, grelle Glühbirnen, die den Raum, der zwar versifft, aber leer war, taghell erleuchteten. Monelle ging zu den vier nebeneinanderstehenden Waschmaschinen, steckte die Weißwäsche in die eine und die Buntwäsche in die nächste. Sie zählte Vierteldollarmünzen ab, steckte sie in die Geldschlitze und schob die Hebel nach vorn.
    Nichts.
    Monelle rüttelte an einem Hebel. Schlug dann gegen die Maschine. Nichts tat sich.
    »Scheiße. Diese gottverdammte Bruchbude.«
    Dann sah sie das Stromkabel. Irgendein Trottel hatte den Stecker für die Waschmaschinen rausgezogen. Sie wußte, wer es gewesen war. Neischen hatte einen zwölfjährigen Sohn, und wenn in diesem Haus etwas kaputtging, war meistens er daran schuld. Als sie sich letztes Jahr wegen irgendwas beschweren wollte, hatte der kleine Scheißkerl nach ihr getreten.
    Sie ergriff das Kabel, ging in die Hocke, streckte den Arm aus und tastete hinter der Maschine nach der Steckdose. Sie schob den Stecker hinein.
    Und spürte den Atem des Mannes an ihrem Hals.
    Nein!
    Er hatte sich in dem schmalen Spalt zwischen Mauer und Waschmaschine versteckt. Sie stieß einen Schrei aus, als sie die Skimaske und die dunkle Kleidung sah, dann schloß sich seine Hand um ihren Arm.
    Mühelos riß er sie nach vorn und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie fiel hin, schlug mit dem Gesicht auf den rauhen Betonboden und konnte gerade noch einen weiteren Aufschrei unterdrücken.
    Im nächsten Moment war er auf ihr, drückte ihre Arme zu Boden und pappte ihr ein Stück dickes, graues Klebeband über den Mund.
    Hilfe!
    Nein, bitte nicht.
    Bitte nicht.
    Groß war er nicht, aber kräftig. Er wälzte sie mühelos auf den Bauch, und dann hörte sie Handschellen einrasten.
    Danach stand er auf. Eine ganze Weile war nichts weiter zu hören als tröpfelndes Wasser, Monelles keuchende Atemzüge und das leise Klicken irgendeines Aggregats.
    Sie wartete darauf, daß er sie anfaßte, ihr die Kleidung vom Leib riß. Sie hörte, wie er zur Tür ging, sich davon überzeugte, daß sie allein waren.
    Oh, hier unten war er völlig ungestört. Das wußte sie, und sie war wütend auf sich. Sie war eine der wenigen Mieterinnen, die den Waschraum benutzten. Die meisten mieden ihn, weil er so abgelegen war, so nah an der Hintertür und den Fenstern, so fernab von jeder Hilfe.
    Er kehrte zurück und wälzte sie auf den Rücken. Flüsterte irgendwas, was sie nicht verstand. Dann: »Hanna.«
    Hanna? Das war ein Irrtum! Er hielt sie für jemand anderen. Sie schüttelte heftig den Kopf, damit er es kapierte.
    Doch dann blickte sie auf, schaute in seine Augen und ließ es sein. Obwohl er eine Skimaske trug, wurde ihr klar, daß irgendwas nicht stimmte. Er war außer sich. Kopfschüttelnd betrachtete er ihren Körper. Er schloß die in Handschuhen steckenden Finger um ihre runden Arme. Kniff in ihre Schulter, packte ein Speckröllchen. Sie zuckte vor Schmerz zusammen.
    Offensichtlich war er enttäuscht. Er hatte sie überwältigt, und jetzt wußte er nicht genau, ob er sie überhaupt wollte.
    Er steckte die Hand in die Hosentasche und zog sie langsam wieder heraus. Als das Messer aufschnappte, zuckte sie zusammen wie unter einem Elektroschock. Sie schluchzte lauthals los.
    Nein, nein, nein!
    Zischend stieß er den Atem aus. Er kauerte über ihr, dachte nach.
    »Hanna«, flüsterte er, »was soll ich bloß tun?«
    Dann entschied er sich plötzlich. Er steckte das Messer weg, zog sie auf die Beine und führte sie durch den Kellergang zur Hintertür - die mit dem kaputten Schloß, wegen dem

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