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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sie Herrn Neischen schon seit Wochen in den Ohren lag.
     
     
    ELF
    Ein Kriminalist ist ein Renaissancemensch.
    Er muß sich mit Botanik auskennen, mit Geologie, Ballistik, Medizin, Chemie, Literatur und Technik. Wenn er sich auskennt und beispielsweise weiß, daß Asche mit hohem Strontiumgehalt höchstwahrscheinlich von einer Leuchtbake am Straßenrand stammt, daß »Messer« auf portugiesisch faca, heißt, daß man in Äthiopien nicht mit Besteck, sondern ausschließlich mit der rechten Hand ißt, daß eine Kugel mit fünf Feldern, deren Ausprägungen in Drallrichtung nach rechts verlaufen, nicht aus einem Colt abgegeben worden sein kann -, wenn er all das weiß, kann er möglicherweise aufgrund der am Tatort sichergestellten Spuren Rückschlüsse auf den Täter ziehen.
    Ein Fachgebiet, auf dem sich jeder Kriminalist auskennen muß, ist die Anatomie. Es war mittlerweile Lincoln Rhymes Spezialgebiet, denn in den letzten dreieinhalb Jahren hatte er sich eingehend mit der Funktion von Knochen und Nerven befaßt.
    Jetzt betrachtete er die Beweismitteltüte aus dem Dampfheizungsraum, die Jerry Banks hochhielt. »Beinknochen«, erklärte er. »Nicht von einem Menschen. Stammt also nicht vom nächsten Opfer.«
    Es handelte sich um ein glatt abgesägtes, rundes Knochenstück, etwa fünf Zentimeter Umfang. In den Sägerillen haftete Blut.
    »Ein mittelgroßes Tier«, fuhr Rhyme fort. »Ein großer Hund zum Beispiel, ein Schaf oder eine Ziege. Schätzungsweise hundert bis hundertfünfzig Kilo schwer. Aber erst wollen wir feststellen, ob es sich auch um Tierblut handelt. Es könnte ja auch vom Opfer stammen.«
    Es war schon vorgekommen, daß ein Straftäter jemanden mit einem Knochen erstochen oder erschlagen hatte. Rhyme hatte drei derartige Fälle bearbeitet; einmal war der Fußknochen eines Rindes die Tatwaffe gewesen, ein andermal der Beinknochen eines Hirsches, und in einem besonders grausigen Fall die Elle des Opfers.
    Mel Cooper untersuchte die Blutspuren nach der Doppeldiffusionsmethode.
    »Wir müssen ein bißchen warten«, erklärte er entschuldigend.
    »Amelia«, sagte Rhyme. »Vielleicht könnten Sie uns zur Hand gehen. Nehmen Sie die Lupe und schauen Sie sich den Knochen genau an. Sagen Sie uns, was Sie sehen.«
    »Nicht das Mikroskop ?« fragte sie. Er dachte, sie würde sich sträuben, doch sie trat einen Schritt vor und betrachtete neugierig den Knochen.
    »Zu starke Vergrößerung«, erklärte Rhyme.
    Sie setzte die Spezialbrille auf und beugte sich über die weiße Emailleschale. Cooper schaltete eine Schwanenhalslampe an.
    »Die Sägespuren«, sagte Rhyme. »Sind sie glatt oder ausgefranst?«
    »Sie sind ziemlich glatt.«
    »Eine Elektrosäge.«
    Rhyme fragte sich, ob das Tier noch gelebt hatte, als der Unbekannte das getan hatte.
    »Sehen Sie irgend etwas Ungewöhnliches?«
    Sie musterte den Knochen eine Zeitlang, murmelte dann: »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Es sieht einfach aus wie ein Stück Knochen.«
    In diesem Augenblick ging Thom vorbei und warf einen Blick auf die Schale. »Ist das euer Hinweis? Das ist aber komisch.«
    »Komisch«, sagte Rhyme. »Komisch?«
    »Haben Sie eine Theorie, was das sein könnte?« fragte Sellitto.
    »Theorie? Ich weiß es.« Er bückte sich und roch daran. »Das ist ein ossobucco.«
    »Was?«
    »Kalbshaxe. Ich hab' einmal eine für dich gemacht, Lincoln. Ossobucco. Geschmorte Kalbshaxe.« Er schaute Sachs an und verzog das Gesicht. »Er hat gesagt, sie könnte mehr Salz vertragen.«
    »Gottverdammt«, schrie Sellitto. »Er hat ihn in einem Laden gekauft.«
    »Wenn wir Glück haben«, sagte Rhyme, »hat er ihn in seinem Laden gekauft.«
    Cooper bestätigte, daß die von Sachs gesicherten Blutproben laut Eiweißdifferenzierungsverfahren nicht menschlicher Herkunft seien. »Vermutlich Rinderblut«, sagte er.
    »Aber was will er uns damit sagen?« fragte Banks.
    Rhyme hatte keine Ahnung. »Machen wir weiter. Ach, was ist mit der Kette und dem Vorhängeschloß?«
    Cooper betrachtete die in einer Plastiktüte steckenden Beweismittel. »Keinerlei Firmenstempel mehr zu sehen. Damit hätten wir also kein Glück. Beim dem Schloß handelt es sich um ein Secure-Pro - ein Allerweltstyp. Besonders sicher ist es nicht, und einen Profi schreckt es schon gar nicht ab. Wie lange hat es gedauert, bis ihr es aufgebrochen habt?«
    »Allenfalls drei Sekunden«, sagte Sellitto.
    »Seht ihr. Keine Seriennummer. So was kann man in jedem Eisen- und Haushaltswarengeschäft im ganzen Land

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