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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Einsatz. Fink ging mit raschen Schritten an ihm vorbei, auf Kandan zu und verschwand in der Tür zum Materialraum und den Personalräumen. Kandan folgte ihm.
    Maravan legte Schäler und Kartoffel beiseite und setzte sich in die gleiche Richtung in Bewegung, während er mechanisch die Hände mit der Schürze trocknete.
    Im Materialraum hörte er Fink fluchend Schranktüren und Schubladen öffnen und schließen. Er ging vorbei, betrat die Personalgarderobe, öffnete seinen Spind und packte den Rotationsverdampfer aus.
    Hinter ihm sagte Huwylers Stimme: »Heute ist der Erste, deinen Lohn hast du bekommen. Wir prüfen jetzt, ob das Gerät noch einwandfrei funktioniert. Falls ja, wird dir Frau Keller den Anteil an deinem dreizehnten Monatslohn auszahlen. Falls nein, lassen wir es reparieren und verrechnen die Kosten mit dem, was wir dir schulden.«
     
    Der Rotationsverdampfer funktionierte noch einwandfrei, und so verließ Maravan den Huwyler mit etwas über sechshundert Franken in bar. Während er seine Siebensachen packte, stand der Chef neben ihm und sah zu, dass er nichts klaute.
    Zum Abschied sagte er: »Wirst sehen, einer, der von Huwyler fristlos entlassen wurde, findet nicht so leicht wieder einen Küchenjob. Sei froh, wenn ich dich nicht anzeige. Sonst: Sri Lanka einfach.«
    Andrea trat ihren Dienst um sechzehn Uhr an. Sie wusste nicht, was ihr unangenehmer war: die Begegnung mit Maravan oder die mit der Brigade. Aber als sie sich umgezogen hatte und mithalf, die Tische zu decken, machte niemand eine Bemerkung. Auch beim Briefing durch den Chef de Service blieb das Thema der gestrigen Einladung bei Maravan unerwähnt. Sogar als sie das erste Mal in der Küche auftauchte, sagte niemand ein Wort.
    Auch die Begegnung mit Maravan schien ihr erspart zu bleiben. Er wurde wohl im hinteren Teil der Küche eingesetzt, denn von da, wo sie stand, sah sie ihn nirgends. In einer Stunde war sein Dienst beendet, so lange konnte sie ihm leicht aus dem Weg gehen.
    Beim zweiten Gang in die Küche fiel ihr auf, dass Kandan bei der Pfannenreinigung arbeitete, dort, wo sie Maravan vermutet hatte. Das bedeutete wohl, dass dieser wie jeden Abend mit Zurüsten beschäftigt war.
    Aber es war einer der Commis, der für den Entremetier die Julienne schnitt. Er tat es mit viel weniger Geschick als Maravan.
    Noch immer war es auffallend still in der Küche, aber jetzt bemerkte sie ein paar neugierige Blicke in ihre Richtung.
    »Wo ist eigentlich Maravan?«, fragte sie Bandini, den Annonceur, der neben ihr stand und sich Notizen auf eine Menükarte machte.
    »Entlassen«, murmelte er, ohne aufzublicken. »Fristlos.«
    »Aus welchem Grund?« Die Frage kam lauter als beabsichtigt.
    »Er hat sich den Rotationsverdampfer ausgeliehen. Über fünftausend kostet so ein Ding.«
    »Ausgeliehen?« »Ohne zu fragen.«
    Andrea ließ ihren Blick durch die Küche schweifen. Alle betont in ihre Arbeit vertieft. Und mittendrin, pomadig und selbstherrlich, Huwyler in seinem affigen schwarzen Outfit.
    Andrea klopfte mit einem Messer an ein Glas, wie eine Festrednerin. »Ich möchte etwas sagen!«, rief sie.
    Alle Köpfe drehten sich in ihre Richtung.
    »Maravan hat unter dem Nagel seines kleinen Fingers mehr Talent, als in dieser ganzen Küche versammelt ist!«
    Und dann ritt sie der kleine Teufel, der sie schon so oft in Schwierigkeiten gebracht hatte, und sie fügte hinzu: »Das gilt auch fürs Bett!«
     

7
    Ein strahlender Tag im April. Durchs Stadtzentrum bewegte sich zu Marschmusik ein Umzug von fast zweieinhalbtausend Kindern in bunten Trachten und Uniformen. Den Abschluss des Zuges bildete ein Pferdegespann mit einem Schneemann aus Watte, der am nächsten Abend um sechs feierlich dem Feuer übergeben werden sollte.
    Etwas außerhalb der Stadt hatten sich, auch bunt gekleidet, ein paar hundert Tamilen in ihrem Tempel versammelt. Sie waren hier, um das Neujahrsfest zu feiern, welches dieses Jahr mit dem Kinderumzug des Sechseläutens zusammenfiel.
    Sie saßen auf dem Boden des Tempels, schwatzten und lauschten, während die Kinder spielten, den Voraussagen für das kommende Jahr.
     
    Maravan schaltete den Mixer aus, wischte sich mit dem Ärmel die Augen trocken und goss den Inhalt des Glasbehälters in die Schüssel mit der Paste aus rohen Zwiebeln, Senfkörnern und Curryblättern.
    In einer Inox-Schüssel von Großküchen-Ausmaßen lagen in Streifen geschnittene grüne Mangos in ihrem Saft. Maravan hatte sie mit geraffelten Kokosnüssen, Joghurt,

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