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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Schulter und schwieg. »Und die alte Frau ist Na...« »Nangay.«
    »Sie sieht weise aus.« »Sie ist weise.«
    Wieder entstand eine Stille. Andreas Blick wanderte zum Fenster. In dem schwachen Licht, das aus dem Schlafzimmer in die Dunkelheit drang, sah sie Schneeflocken tanzen. »Es schneit.«
    Maravan sah kurz zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Jetzt stand er da und sah sie unentschlossen an.
    Andrea fühlte sich satt und zufrieden. Und dennoch nagte da noch immer ein kleiner Hunger. Erst jetzt wurde ihr klar, wonach.
    Sie ging auf ihn zu, nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und küsste ihn auf den Mund.
     

APRIL 2008

6
    Am nächsten Morgen wurde bekannt, dass die größte Bank des Landes weitere neunzehn Milliarden abschreiben und fünfzehn Milliarden aufnehmen musste. Ihren Präsidenten kostete das den Job. Auch für Maravan sollte es ein schlechter Tag werden.
     
    Er war schon vor sechs Uhr aus dem Schlafzimmer geschlichen und hatte Egg Hoppers mit Sothi und Kokosnuss-Chutney gemacht. Als er mit dem Tablett die Küche verließ, wäre er beinahe mit Andrea zusammengestoßen. Sie war fertig angezogen.
    Es fiel ihm nichts Besseres ein als zu fragen: »Hoppers?«
    »Danke, ich bin nicht so der Frühstückstyp.« »Ach so«, antwortete er nur.
    Beide sahen sich eine Weile wortlos an. Es war Andrea, die die Stille unterbrach. »Ich muss jetzt gehen.« »Ja.«
    »Danke für das wunderbare Essen.«
    »Danke, dass du gekommen bist. Hast du früh?«
    »Nein, spät.«
    »Dann bis heute Nachmittag.«
    Andrea zögerte, als habe sie noch etwas auf dem Herzen.
    »Maravan...«, begann sie. Aber sie überlegte es sich anders, küsste ihn steif auf beide Wangen und ging.
    Vom Fenster aus sah er, wie sie aus dem Haus trat und, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, zur Tramstation stapfte. Ein düsterer Morgen, aber die Straße war trocken.
     
    Maravan ging in die Küche und machte die Arbeit, für die er auch im Huwyler zuständig war: Pfannen putzen, abwaschen, aufräumen.
    Es war das erste Mal seit seiner Flucht aus Sri Lanka, dass er mit einer Frau geschlafen hatte. Und auch die Male davor konnte er an einer Hand abzählen. Dreimal in Südindien, zweimal in Sri Lanka, vier waren Prostituierte, eine war Touristin. Sie kam aus England, war um die vierzig und sagte, sie heiße Caroline. Aber auf ihrem Kofferanhänger stand Jennifer Hill.
    Es war auch das erste Mal, dass er sich gut fühlte danach. Ohne schlechtes Gewissen. Ohne das Bedürfnis, stundenlang zu duschen. Er wunderte sich nicht darüber. Es war das erste Mal, dass es etwas mit Liebe zu tun hatte.
    Deswegen traf ihn Andreas Verhalten besonders hart. War ihm das passiert, was er von anderen alleinstehenden Tamilen schon gehört hatte: War er für eine Nacht als kleine exotische Abwechslung missbraucht worden?
    Zum Reinigen des Rotationsverdampfers musste er Licht machen, so düster war der Morgen. Er verpackte das Gerät wieder, gut gepolstert von der frischen Wäsche und dem sauberen Frottiertuch in der Sporttasche.
    Als er aus dem Haus ging, regnete es wieder. Es war noch früh, er wollte als Erster dort sein, gleich nach Frau Keller. Sie machte die Administration des Huwyler und arbeitete zu normalen Bürozeiten. Punkt Viertel nach acht schloss sie den Lieferanteneingang auf. Das würde Maravan genügend Zeit verschaffen, um den Rotationsverdampfer an seinen Platz zu stellen.
    Aber dann begann seine Pechsträhne: Er stand im Heck des Anhängers, tief in Gedanken an die Nacht und das seltsame Verhalten von Andrea, als das Tram plötzlich scharf und mit schrillem Gebimmel bremste und mit einem Knall zum Stillstand kam.
    Maravan hatte sich nicht festgehalten. Er versuchte einen Sturz zu vermeiden und stolperte dabei gegen eine junge Frau, die an der Lehne eines Sitzes Halt gesucht hatte. Sie stürzten beide.
    Ein paar Passagiere hatten aufgeschrien, dann wurde es still, und man hörte von weiter vorne das anhaltende Hupen eines Autos.
    Maravan rappelte sich auf und half der Frau auf die Beine. Ein alter Mann auf einem Sitz brummte kopfschüttelnd: »Typisch.«
    Die junge Frau hatte einen Pottu auf der Stirn. Sie trug einen hellgrünen Punjabi und darüber eine gesteppte Windjacke.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Maravan auf Tamilisch.
    »Ich glaube schon«, antwortete sie und sah an sich hinunter. Vom rechten Knie an abwärts war ihr Punjabi verschmutzt von der Brühe, die die regennassen Schuhe der Fahrgäste auf dem Bodenbelag

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