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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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dagegen wahrte die Contenance und öffnete nicht einmal den Kragen, der ihn schon bei der Ankunft zu ersticken drohte.
    Als die Tempelglocke nach dem Konfekt für eine Weile verstummte, lauschte Andrea unruhig auf die Geräusche, die aus dem Zimmer drangen. Da kam Kuli in die Küche.
    »Es ist natürlich vor allem das Wissen, dass es sich um ein erotisches Menü handelt, das diese Wirkung ausübt. Plus das ganze Drum und Dran, die Kerzen und dass man mit den Händen isst. Aber tun Sie da noch etwas rein?« Kulis Wangen waren etwas gerötet, doch sein oberster Kragenknopf war nach wie vor geschlossen.
    »Ich tue nichts rein«, erklärte Maravan. »Alles, woraus es besteht, macht es aus.«
    »Und was ist es?«
    »Das verstehen Sie doch, Herr Kuli«, warf Andrea dazwischen, »dass dies unser Berufsgeheimnis ist?«
    Kuli nickte. »Sind Sie auch sonst diskret?«, fragte er nach einer Pause.
     

28
    Von da an kochte
Love Food
regelmäßig für Kuli. Der Schauplatz war immer die Wohnung im Falkengässchen. Nur die Gäste wechselten. Vor allem die Herren.
    Rene Kuli betrieb einen Escort-Service für besonders anspruchsvolle, meist internationale Kundschaft. Herren, deren Geschäfte sie an den Finanzplatz führten oder an den Hauptsitz des Weltfußballverbands oder die, kurz vor den Festtagen in den Bergen mit der Familie, einfach einen Zwischenhalt machten. Sie legten großen Wert auf Diskretion, und nicht selten waren sie begleitet von wortkargen kräftigen Männern, die im Wohnzimmer ihre mitgebrachten Sandwichs verzehrten.
    Kuli bezahlte anstandslos den Preis, den Andrea versuchsweise festgelegt hatte: zweitausend plus Getränke.
     
    Andrea hatte noch nie mit diesem Milieu zu tun gehabt und war fasziniert. Sie kam rasch mit den Frauen ins Gespräch, die meistens vor ihren Kunden eintrafen und sich die Wartezeit im Salon bei einem Drink und ein paar Zigaretten vertrieben. Sie waren schön, trugen Pret-á-porter und teuren Schmuck und behandelten sie als eine der ihren. Sie unterhielt sich gerne mit ihnen. Sie besaßen Humor und sprachen über ihren Beruf mit einer ironischen Distanz, die Andrea zum Lachen brachte.
    Die Frauen liebten diese Termine wegen des Essens. Und, wie eine Brasilianerin einräumte, weil dann sogar das, was danach kam, ein kleines bisschen Spaß machte.
    Mit den Männern hatte sie kaum Kontakt. Sie kamen meistens in Begleitung von Rohrer an, Kulis Faktotum, der sie direkt ins vorbereitete Zimmer führte und danach wieder verschwand. Wenn Andrea dann die Speisen auftrug, war ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Frau gerichtet, mit der sie aßen.
    Einmal wurde Andrea zu Maravan in die Küche verbannt. Schon vor der Ankunft des Gastes herrschte viel Unruhe im Falkengässchen. Mehrere Bodyguards untersuchten die Wohnung, einer nahm in der Küche Stellung, und nachdem der Geheimnisvolle an der geschlossenen Küchentür vorbei ins Zimmer geschleust worden war, kam ein weiterer Bodyguard und erklärte, dass er die Bedienung übernehme. Andrea habe lediglich die Aufgabe, ihm die Gänge zu erklären. Jedes Mal, wenn er einen serviert hatte, übte er mit ihr bis zum Erklingen der Tempelglocke die Ansage des nächsten.
    »Ich würde zu gerne wissen, wer das war«, sagte Andrea, als sie mit Maravan im Lift hinunterfuhr.
    »Ich lieber nicht«, gab Maravan zurück.
     
    Nicht das Anrüchige seiner Arbeit war es, das Maravan zu schaffen machte, es war die Rolle, die ihm dabei zugewiesen war.
    Bei den therapeutischen Paaren war er mit dem Respekt behandelt worden, den man einem Arzt oder einem anderen Spezialisten entgegenbringt, der in der Lage ist, einem zu helfen. Und bei den wenigen normalen Caterings war er gefeiert worden wie ein Star.
    Hier wurde er überhaupt nicht beachtet. Da konnte er einen noch so hohen Kochhut tragen, er wurde übersehen. Er bekam die Gäste kaum zu Gesicht, und nie brachte Andrea, wenn sie das Geschirr des letzten Gangs zurückbrachte, ein Kompliment an den Koch mit in die Küche.
    Als Küchenhilfe war Maravan es gewohnt, ein Schattendasein zu führen. Aber hier war es etwas anderes: Die Gäste kamen wegen seiner Kreationen. Was immer sie bei ihnen auslösten, verdankten sie ihm und seiner Kunst. Kurz: Der Künstler in Maravan fühlte sich vernachlässigt. Und was fast schlimmer war, auch der Mann.
    Seine Beziehung zu Andrea entwickelte sich nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Er hatte gehofft, dass das fast tägliche Beisammensein, der enge Kontakt und das Verschwörerische ihrer

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