Der Koch
Zusammenarbeit sie einander näherbringen würde. Das tat es zwar, aber auf eine kameradschaftliche, fast geschwisterliche Art. Nichts von der Erotik ihrer Tätigkeit färbte auf ihr eigenes Verhältnis ab.
Aber während ihre Beziehung zu Maravan nicht über eine herzliche Kollegialität hinausging, pflegte sie mit den Frauen, die für Kuli arbeiteten, eine große Vertraulichkeit. Sie duzten sich, fielen einander schon bei der zweiten Begegnung in die Arme wie lang getrennte Freundinnen und verbrachten die Zeit, bis ihre Freier - Maravan benutzte das Wort Andrea gegenüber mit Absicht - kamen, schwatzend und rauchend und lachend in den weißen Sofas. Vor allem eine hatte es ihr angetan: eine große Äthiopierin namens Makeda. Auf sie war er, wenn er ehrlich war, eifersüchtig.
Makeda war als Zwölfjährige mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester nach England geflohen. Sie gehörten der Bevölkerungsgruppe der Oromo an, ihr Vater hatte sich deren Befreiungsbewegung angeschlossen, der Oromo Liberation Front. Nach dem Sturz der Derg-Regierung saß er als OLF-Vertreter im Übergangsparlament, aber nach den Wahlen trat die olf aus der Regierung aus und stellte sich gegen die Regierungspartei.
Eines frühen Morgens erschienen Soldaten in Makedas Elternhaus, stellten alles auf den Kopf und nahmen den Vater mit. Das war das letzte Mal, dass sie ihn sah. Ihre Mutter versuchte hartnäckig, seinen Aufenthaltsort herauszufinden, und dank früheren Beziehungen gelang ihr das auch. Sogar zu einem Besuch im Gefängnis reichten ihre Beziehungen. Stumm und mit geröteten Augen kam sie von diesem zurück. Zwei Tage später überquerten Mutter, Schwester und Makeda in einem klapprigen Landrover die kenianische Grenze. Damit waren die Gefälligkeiten, die ihre Mutter von den alten Beziehungen beanspruchen konnte, erschöpft. Sie flogen nach London und baten um Asyl. Vom Vater hatten sie nie mehr etwas gehört.
Mit sechzehn war Makeda vom Scout einer Modelagentur entdeckt worden. »Die neue Naomi Campbell«, hatte er sie genannt. Gegen den Widerstand ihrer Mutter machte sie ein paar Castings, lief auf ein paar Modeschauen mit und wurde für ein paar Magazine fotografiert. Auf den Durchbruch wartete sie vergebens.
Während der Mailänder Modewoche überschritt sie zum ersten Mal den schmalen Grat vom Nachwuchsmodel zum Callgirl. Sie fühlte sich einsam und nahm den Einkäufer einer Boutiquekette mit ins Zimmer. Als sie am nächsten Morgen erwachte, war er weg. Auf dem Nachttisch lagen fünfhundert Euro. »Da wurde mir klar, dass mein erster Liebhaber auch gleich mein erster Freier gewesen war«, erzählte Makeda mit einem sarkastischen Lachen.
Als sie sich eingestehen musste, dass sie es als Model nicht weit bringen würde, ging sie zurück zu ihrer Familie und in die Schule. Aber sie hatte sich an einen freieren und aufwendigeren Lebensstil gewöhnt. Zu Hause war es ihr zu eng, die Ansichten der Mutter waren ihr zu borniert. Es kam bald zum Streit. Makeda zog aus, diesmal endgültig.
Wieder entdeckte sie ein Scout, aber diesmal war es der eines Escort-Service. Makeda wurde Callgirl. Und in diesem Beruf war sie um einiges erfolgreicher als auf dem Laufsteg.
Vor etwas weniger als einem Jahr hatte sie Kuli kennengelernt. Er warb sie ab, und sie folgte ihm in die Schweiz. Da war sie nun und fühlte sich einsam.
Das alles erzählte sie im Halbdunkel von Andreas Schlafzimmer. Sie hatten sich beim Warten auf einen Gast für den nächsten Tag verabredet, waren trotz der Kälte am See spazieren gegangen und in Andreas Bett gelandet, als wäre es der natürliche Lauf der Dinge.
Maravans Eifersucht war also nicht unberechtigt. Andrea war verliebt.
Schon bald nach ihrem letzten Besuch standen Thevaram und Rathinam wieder vor Maravans Wohnung. Sie brachten Neuigkeiten von Ulagu. Er habe sich, so behaupteten sie, für die Black Tigers gemeldet, eine Eliteeinheit für Selbstmordattentäter. Die Aufnahmebedingungen seien allerdings sehr streng, die Chancen, dass er abgelehnt werde, stünden gut. "Wenn Maravan wolle, könnten sie versuchen, diese über ihre Kanäle etwas zu verbessern.
Maravan versprach eine weitere Spende von zweitausend Franken.
Nach dem Besuch ließ er seiner Schwester über den Batticaloa-Basar die Nachricht zukommen, er habe in besagter Angelegenheit erste Fortschritte gemacht.
Im Dezember war der Huwyler normalerweise ausgebucht. Auch die beiden Säle waren fast jeden Abend besetzt. Aber diesmal hatten
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