Der Koch
anderes.«
»Und bestimmt keine Drogen oder Chemie?«
»Ich habe mich jedenfalls am nächsten Morgen hervorragend gefühlt. Und - das unter Herren - schon lange nicht mehr so gut gevögelt.«
»Wie gesagt, mein Herz.«
Neller hob beide Hände. »Ich hab's nur erzählt, Eric, nur erzählt.«
Dalmann hatte nicht vor, den Tipp seines Freundes auszuprobieren. Aber wenn er mal für jemanden etwas ganz Spezielles brauchte, würde er sich gerne daran erinnern.
Sie wechselten das Thema und verplauderten sich ein wenig. Als Huwyler sie mit einem Schirm zum Taxi brachte, lag Schnee auf der Einfahrt. Und es schneite noch immer still in großen schweren Flocken.
An jenem Abend, als sie im Huwyler den Jahresabschluss und den Manager des Jahres feierten, war Dalmann an den Tisch gekommen, hatte Staffel gratuliert und gesagt: »Dank Ihnen habe ich eine Wette gewonnen.«
»Eine Wette?«, hatte Staffel gefragt.
»Ich habe gewettet, dass Sie es werden.«
»Da haben Sie aber einiges riskiert, ich hoffe, der Einsatz war nicht zu hoch.«
»Sechs Flaschen 97er Cheval Blanc, immerhin. Aber Risiko war keines dabei. Guten Appetit, meine Damen und Herren, genießen Sie den Abend, Sie haben ihn verdient.«
»Das ist doch der, der letztes Mal schon kam und mehr wusste als ich«, hatte Staffels Frau ihrem Mann zugeraunt, kaum war Dalmann zurück an seinen Tisch gegangen. »Weißt du jetzt, wer er ist?«
Staffel hatte sich erkundigt, aber viel hatte er nicht zu berichten: Dalmann war ein Anwalt, der aber nicht als Anwalt arbeitete. Er saß in verschiedenen Verwaltungsräten und betätigte sich als Berater und Vermittler. Er schuf Geschäftskontakte, brachte Leute zusammen, sprang auch schon einmal ein, wenn es darum ging, informell eine Personalposition neu zu besetzen, und war offenbar auch bei den Medien so gut vernetzt, dass er sich, wenn nötig, gewisse Informationsvorsprünge verschaffen konnte.
Staffel sollte Dalmann bald besser kennenlernen.
29
Das Jahr ging zu Ende, schwer zu sagen, was überwog: die Erleichterung darüber oder die Sorge, was das nächste bringen würde.
Die internationale Börsenbilanz war verheerend: Die Schweizer Börse schloss ihr schlechtestes Jahr seit 1974 ab, der Dax war um vierzig Prozent eingebrochen, der Dow Jones hatte über ein Drittel verloren, der Nikkei verzeichnete ähnliche Verluste, die Börse in Shanghai war um fünfundsechzig Prozent abgestürzt, und Russland hatte das alles in den Schatten gestellt mit einem Leitindexeinbruch um zweiundsiebzig Prozent.
Besonders Letzteres machte sich auf Kulis Geschäftsgebiet bemerkbar. Die Russen waren in den letzten Jahren gute Kunden gewesen. Sein Team hatte über die Festtage jeweils einen großen Teil der Tätigkeit nach St. Moritz verlagert und musste durch externe Mitarbeiterinnen erweitert werden. Wie er aus den Vorbestellungen schloss, würde das in diesem Jahr nur in reduziertem Umfang nötig sein.
Die
Love-Food-Sache
allerdings hatte sich so gut bewährt, dass er sie auch im Engadin anbieten wollte. Er hatte das Duo vorsorglich für ein paar Tage gebucht.
Für Dalmann waren die Festtage in St. Moritz der wichtigste Geschäftsevent des Jahres. Dort bot sich die Gelegenheit, Leute zu treffen, mit denen das ganze Jahr über kein persönlicher Austausch möglich gewesen war. Er konnte alte Kontakte auffrischen und neue knüpfen. Die vielen gesellschaftlichen Ereignisse boten Gelegenheit, sich in ungezwungenem, entspanntem Rahmen zu treffen, sich privat näherzukommen und eine Basis für neue Geschäfte oder für die Fortsetzung der alten zu bilden.
Hier oben war die Krise zwar ebenfalls zu spüren, aber es war so, wie Dalmann vermutet hatte: Die guten Gäste kamen auch dieses Jahr. Die Krise besaß zudem den Vorteil, dass sie die Spreu vom Weizen trennte.
Er wohnte wie immer in der Chesa Clara in einem Fünfzimmerappartement im obersten Stock. Ein befreundeter Zahnarzt hatte das Haus Anfang der neunziger Jahre gebaut, und seither war Dalmann dort über die Festtage Dauermieter. Die Chesa Clara war ein Fixposten in seinem Jahresbudget. Eine zwar hohe Ausgabe, aber eine, die sich bisher immer bezahlt gemacht hatte. Er hoffte, auch diesmal.
Die Wohnung war ein wenig übermöbliert und mit alten Nussbaumtüren und Arventäfelung ausgestattet, die man aus verschiedenen alten Häusern zusammengesucht hatte. Sie war geräumig genug für Dalmann und zwei Gäste und besaß ein kleines Personalappartement, das Lourdes bewohnte, die auch
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