Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
erheben zur Unterstützung des Freiheitskampfes ihrer Brüder und Schwestern in Tamil Eelam. Ich fordere sie von ganzem Herzen auf, unsere Freiheitsbewegung zu stärken und fortzufahren mit ihren Spenden und Hilfen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch unserer tamilischen Jugend, die außerhalb unserer Heimat lebt, meine Zuneigung und mein Lob aussprechen für die wichtige und engagierte Rolle, die sie spielt, indem sie aktiv zur Befreiung unserer Nation beiträgt.
    Lasst uns alle den festen und unumstößlichen Entschluss fassen, uneingeschränkt dem Pfad unserer Helden zu folgen, die sich im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit geopfert haben und so Teil unserer Geschichte und unseres Volkes geworden sind.«
    Maravan ging in die Küche, warf das Papier in den Müll und wusch sich Gesicht und Hände besonders gründlich. Vor dem Wohnzimmer zog er die Schuhe aus, kniete vor den Hausaltar, zündete den Docht der Deepam an und betete inbrünstig dafür, dass Ulagu nicht dem Pfad der Helden folgen möge.
     

26
    Andrea saß in ihrem Rattansessel im Wintergarten und fror. Sie trug dicke Wollsocken und hatte die Beine angezogen, damit der Kaschmirschal bis über die Fußspitzen reichte. Der Schal war ein Geschenk von Liliane, Dagmars Vorgängerin. Sie hatten sich im Sulawesi kennengelernt, einem Szenerestaurant, das mit internationaler Fusionküche eine kurze Hochblüte erlebt hatte und wieder von der Bildfläche verschwunden war. Liliane war Analystin bei einer Großbank und Stammgast im Sulawesi. Andrea hatte ihren Tisch am ersten Abend ihres Arbeitsantritts bedient und ein bisschen geflirtet. Als sie weit nach Mitternacht das Restaurant verließ, hatte Liliane sie in ihrem roten Porsche Boxster erwartet und gefragt, ob sie sie nach Hause fahren dürfe. »Zu wem nach Hause?«, hatte Andrea gefragt.
    Das war lange her, und der Kaschmirschal hatte ein paar Mottenlöcher, über die sich Andrea jedes Mal ärgerte, wenn sie ihn aus dem Schrank holte.
    Der Novemberföhn rüttelte an den klapprigen Fenstern, der Durchzug bewegte die Zimmerpalmen. Sie hatte einen Elektro-Ofen in die Mitte des Raumes gestellt, denn der einzige Radiator war nur lauwarm. Er müsste entlüftet werden, aber Andrea wusste nicht, wie. Das hatte immer Dagmar gemacht.
    Der Elektro-Ofen würde die Stromrechnung in die Höhe treiben, aber das war ihr egal. Sie weigerte sich zu akzeptieren, dass sie den Wintergarten ausgerechnet im Winter nicht benutzen konnte.
    Sie legte die ausgelesene Zeitung beiseite und tat etwas, das sie seit Wochen nicht mehr getan hatte: Sie nahm sich den Bund mit den Stellenanzeigen vor, den sie sonst unbesehen mit der übrigen Werbung weggeschmissen hatte.
    Bis zum Jahresende hatte
Love Food
ganze drei Buchungen. Zwei als Resultat ihres Promotionsessens und eine von einem von Esthers Patientenpaaren, das sich direkt an sie gewandt hatte. Und das im Dezember, der kulinarischen Hochsaison.
    Selbst wenn noch eine oder zwei Reservierungen dazukamen - fürs Überleben von
Love Food
reichte es nicht. Sie sah zwei Möglichkeiten: stempeln, wie Maravan. Oder eben: die Stellenanzeigen. Vielleicht fand sie einen Job, bei dem sie am Abend freihatte, damit sie für
Love Food
zur Verfügung stand, wenn sie gebucht waren. Sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Esther Dubois sich wieder melden könnte oder jemand anders aus ihrer Zunft. Sie hing nach wie vor an der Idee - ihrer Idee - eines aphrodisischen Caterings und hoffte, dass Maravans Aufenthaltsstatus es bald erlauben würde,
Love Food
ganz offiziell zu betreiben.
    Sie hätte es ihm gegenüber unfair gefunden, so schnell aufzugeben. Sie fühlte sich verantwortlich für seine Situation. Ohne sie würde er jetzt wohl noch immer bei Huwyler arbeiten. Und ihr Fehler war es schließlich auch, dass die Aufträge von Esther Dubois ausblieben.
    Sie ließ den Stellenanzeiger auf den Boden fallen, zog den Schal bis unters Kinn und wandte sich in Gedanken wieder der Sanierung von
Love Food
zu.
    Aber es war ein überraschender Anruf von Maravan, der die Lösung brachte.
     
    Am Tag zuvor hatte Maravan am Stehtisch einer Imbissbude im Hauptbahnhof gestanden. Er trug Wollmütze und Schal und nippte an seinem Tee. Vor ihm lag eine gefaltete ungelesene Sonntagszeitung, in die er einen Briefumschlag mit dreitausend Franken in großen Noten gesteckt hatte. Es war fast alles, was ihm vom
Love-Food-
Einkommen
übriggeblieben war.
    Gestern hatte er erfahren, dass seine Schwester einen Brief von

Weitere Kostenlose Bücher