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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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sagte Maravan: »Ich glaube, ich würde es jetzt doch machen.«
    »Was?«
    »Die schmutzigen Sachen.«
    Andrea verstand sofort, fragte aber: »Welche schmutzigen Sachen?«
    Maravan zögerte. »Wenn wieder mal einer anruft und so - Sexessen will. Von mir aus kannst du zusagen.«
    »Ach das. Okay, ich werde es mir merken. Und sonst?« »Sonst nichts.«
    Sobald Maravan aufgelegt hatte, suchte sie die Nummer des Anrufers heraus, die sie sich damals für alle Fälle notiert hatte.
     

DEZEMBER 2008

27
    Das Appartement im Falkengässchen befand sich im vierten Stock, mitten in der Altstadt in einem aufwendig restaurierten Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert, wenn man der Aufschrift über der Tür glauben durfte. Ein neuer, lautloser Aufzug hatte sie heraufgebracht. Das Wohnzimmer und die Küche nahmen die ganze Etage ein. Die Dachschräge reichte bis in den Giebel und öffnete sich auf eine Dachterrasse, von der aus man die Ziegeldächer und die Kirchtürme der Altstadt sehen konnte.
    Durch die Wand zum Nachbarhaus führte eine Tür. Dahinter lagen zwei große Schlafzimmer mit je einer Sitzgruppe und einem luxuriösen Bad. Alles war neu und teuer, aber mit schlechtem Geschmack eingerichtet. Viel Marmor und vergoldete Armaturen, hochflorige Teppiche, zweifelhafte Antiquitäten und Chromstahlmöbel, Schalen mit getrockneten und parfümierten Blütenblättern.
    Die Wohnung erinnerte Andrea an eine Hotelsuite. Sie sah nicht aus, als lebte jemand darin.
     
    Als sie den Mann anrief, der damals nach den »Sexessen« gefragt hatte, meldete er sich mit einem barschen »Ja!«. Er hieß Rohrer und war gleich zur Sache gekommen. Sie - er ging nicht darauf ein, wer »sie« waren - organisierten ab und zu private Diners zur Entspannung. Die Gäste waren Leute, die Wert auf Diskretion legten. Falls sie glaube, dass sie so etwas bieten könne, würde er ein Testessen arrangieren. Je nach Ergebnis würde dieses weitere Aufträge nach sich ziehen.
    Bereits am nächsten Tag traf sich Andrea mit Rohrer, um die Örtlichkeiten zu besichtigen. Er war ein kurzgeschorener Mann Ende dreißig, der sie mit professionellem Blick musterte. Sie war einen Kopf größer als er, in dem engen Lift zum Appartement roch sie seine Mischung aus Schweiß und Paco Rabanne.
    Sie befand die Lokalität für geeignet und den vorgeschlagenen Termin in vier Tagen für - sie konsultierte umständlich ihren Terminkalender - machbar.
     
    Das Essen wurde im Schlafzimmer serviert. Die Sitzgruppe war entfernt worden, und Andrea hatte mit Tüchern und Kissen die übliche Tafel gebaut. Inklusive Fingerbowlen aus Messing. Denn ab sofort wurde wieder von Hand gegessen.
    Maravan arbeitete zum ersten Mal mit einer hohen Kochhaube. Andrea hatte darauf bestanden, und es steckte zur Zeit nicht viel Widerspruchsgeist in ihm.
    Das Essen war für eine Dame und einen Herrn bestimmt. Rohrer würde sich verabschieden, sobald die Gäste eingetroffen waren. Aber Andrea und Maravan sollten nach dem letzten Gang bleiben, bis sie gerufen würden.
    Er kochte sein Standardmenü. Mit der üblichen Sorgfalt, aber ohne die übliche Leidenschaft, wie Andrea fand.
     
    Der Mann war Rohrers Chef. Er war Anfang fünfzig und etwas zu gepflegt, trug einen Blazer mit Goldknöpfen zu einer grauen Gabardinehose, ein blau-weiß gestreiftes Hemd, dessen weißer hoher Kragen von einer goldenen Nadel zusammengehalten wurde. Sie bildete einen Steg unter dem Knoten der gelben Krawatte.
    Er hatte grüne Augen und rötliches halblanges, nach hinten gegeltes Haar. Andrea fielen seine Nägel auf. Sie waren sorgfältig manikürt und poliert.
    Er warf einen Blick in die Küche, begrüßte Andrea und Maravan und stellte sich als Kuli vor. Kuli, Rene.
    Seine Begleitung sah sie erst, als sie den beiden den Champagner brachte. Sie saß vor dem Schminktisch und wandte Andrea den schmalen, tief dekolletierten Rücken zu. Ihr Haar war millimeterkurz geschnitten und verlief im Nacken zu einem Keil. Ihre Haut war von einem tiefen Ebenholz, das matt im Licht von Andreas Kerzenmeer glänzte.
    Als sie sich umwandte, sah Andrea eine runde Stirn, wie sie Frauen aus Äthiopien oder dem Sudan haben. Ihre vollen Lippen waren rot geschminkt und verzogen sich jetzt zu einem überraschten, interessierten Lächeln.
    Andrea strahlte zurück. Sie hatte schon lange keine so schöne Frau mehr gesehen. Sie hieß Makeda. Makeda gab sich mit solcher Lust und Freude dem Essen hin, dass Andrea zweifelte, ob sie eine Professionelle war. Kuli

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