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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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in diesen Tagen seinen Haushalt machte und das Frühstück zubereitete. Kochen musste sie nicht, denn er aß immer auswärts und machte keine Essenseinladungen. Außer seinem legendären Katerfrühstück am Neujahrstag. Open House ab elf Uhr bis zur Dämmerung.
    Sportlich betätigte er sich kaum mehr. Er war früher einmal ein hervorragender Skifahrer gewesen, aber jetzt stand er nur noch auf den Skiern, um zu den Bergrestaurants zu gelangen, die man als Fußgänger nicht erreichen konnte. Sonst zog er leichte Wanderungen zu kulinarischen Zielen vor. Oder Pferdeschlittenfahrten zu ebensolchen.
     
    Maravan war zum ersten Mal in den Bergen. Er war während der ganzen Fahrt in Andreas vollgepacktem Kombi wortkarg und skeptisch auf dem Beifahrersitz gesessen, und als ringsherum die Hügel höher und schroffer wurden, die Straßen enger und schneegesäumt, als es gar zu schneien begann, bereute er es, dass er in dieses Abenteuer eingewilligt hatte.
    Am Ziel ihrer Fahrt hatte er enttäuscht festgestellt, dass sie wieder in einer Stadt angekommen waren, nicht schöner als die, die sie verlassen hatten, nur kleiner und kälter und zwischen Bergen und mit mehr Schnee.
    Auch dort, wo sie untergebracht waren, sah es nicht viel besser aus als in der Theodorstraße. Jeder in einem winzigen Studio in einem Wohnblock mit Sicht auf einen anderen Wohnblock.
    Doch kurz nach ihrer Ankunft klopfte Andrea an seine Tür und überredete ihn zu einem Ausflug. Sie fuhren weiter durch das Tal, Richtung Süden.
    In einer Ortschaft namens Maloja stiegen sie aus. »Wenn wir hier weiterfahren würden, würdest du in einer knappen Stunde Palmen sehen.«
    »Dann lass uns weiterfahren«, bat er, halb im Ernst.
    Andrea lachte und ging voraus.
    Der Weg wurde bald eng und war von hohen Schneewänden begrenzt. Maravan hatte Mühe, Andrea zu folgen. Er trug klobige Stiefel aus Gummi und Nylon, mit denen er keinen Halt fand. Er hatte sie in dem gleichen billigen Warenhaus gekauft, wo er alle Dinge besorgte, die er nicht für seine Küche benötigte. Seine Hosen waren zu eng, er konnte sie nicht über die Schäfte fallen lassen, sondern musste sie in die Stiefel stopfen, was bestimmt lächerlich aussah. Genau konnte er es nicht sagen, in seiner Bleibe gab es keinen Spiegel, in dem er auch die Füße sehen konnte.
    Die Tannen, die den Weg säumten, waren schwer beladen mit Schnee. Ab und zu fiel etwas davon herunter. Dann rieselte es noch eine Weile weiß glitzernd vom um seine Last erleichterten Ast.
    Alles, was er hörte, war das Knarzen ihrer Schuhe. Als Andrea einmal stehenblieb und auf ihn wartete, blieb er auch stehen. Da erst hörte er die Stille.
    Es war eine Stille, die alles verschlang. Eine Stille, die mit jeder Sekunde mächtiger wurde.
    Noch nie war ihm bewusst geworden, wie unbarmherzig sein ganzes Leben mit Lärm ausgefüllt war. Dem Geschwätz seiner Familie, dem Hupen des Verkehrs, dem Wind in den Palmen, der Brandung des Indischen Ozeans, den Detonationen des Bürgerkriegs, dem Geschepper in den Küchen, dem Singsang der Tempel, dem Schrillen der Trams, dem Brummen des Verkehrs, dem Geschwätz seiner Gedanken.
    Nun plötzlich diese Stille. Wie ein Kleinod. Wie ein Luxusartikel, auf den Leute wie er keinen Anspruch hatten.
    »Was ist?«, rief Andrea. »Kommst du?«
    »Psst!«, machte er und hielt den Zeigefinger an die Lippen.
    Aber die Stille war weg, geflüchtet wie ein scheues Tier.
     
    Andrea machte sich Vorwürfe, dass sie Maravan hier heraufgeschleppt hatte. Sie sah ihm an, wie unwohl er sich fühlte. Er benahm sich im Schnee wie eine Katze im Regen.
    Er passte auch nicht in die Landschaft. Wenn sie daran dachte, wie anmutig er sich in seinem Sarong bewegte und wie elegant in seiner langen Schürze und dem weißen Kochschiffchen auf dem Kopf. Hier, in seiner unförmigen Windjacke, der tief über die Ohren gezogenen Wollmütze und den billigen Schneestiefeln war er seiner Würde beraubt wie ein Zootier seiner Freiheit.
    Was ihr am meisten weh tat: Er war sich dessen bewusst. Er ertrug es mit der Resignation, mit der er alles trug, seit er sich entschlossen hatte, auch bei den, wie er es nannte, schmutzigen Sachen mitzumachen.
    Sie machte sich auch nichts vor, was seine Gefühle ihr gegenüber betraf. Je länger sie zusammenarbeiteten, desto klarer war ihr geworden, dass er in sie verliebt war. Er hatte das, was sie für sich »den Zwischenfall« nannte, ernster genommen, als sie dachte. Sie spürte, dass er die Hoffnung nicht

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