Der König Der Komödianten: Historischer Roman
um sich vor dem Publikum zu verneigen. Ich sah wilde Freude auf ihren Gesichtern, sie strahlten vor Stolz und überschwänglicher Erleichterung. Wir fassten uns bei den Händen, bildeten eine Kette über die gesamte Breite der Bühne und verbeugten uns immer wieder.
Iseppo riss meinen Arm hoch und schrie: »Seht diesen famosen Burschen hier – er hat das Stück geschrieben! Er ist der Autor! Er hat sich das alles ausgedacht!«
Doch niemand hörte es, denn der ganze Saal tobte. Die Menschen rasten förmlich, sie trampelten, schrien und klatschten, bis die Bretter unter unseren Füßen bebten.
Mühelos griff die Begeisterung auf mich über, hob mich in fremde, schwindelnde Höhen. Fast war es, als sei ich gewachsen. Kein noch so schönes Rapier, kein edles Gewand, kein reiches Erbe konnten mir das geben, was ich hier erfuhr. Es war ein einzigartiger Rausch, der mich vollständig erfüllte, mich fiebern und glühen und wünschen ließ, dass es nie enden möge.
Die Sonne war fast untergegangen, nur einige Strahlen fanden noch ihren Weg in den Portego, breit und staubig flimmernd strichen sie über die Köpfe der Zuschauer. In dem Augenblick schien es mir, als sei in diesen tanzenden Partikeln viel mehr als nur Licht. Es war wie eine machtvolle Energie, die sich aus meinem Inneren hinausschwang zu den jubelnden Menschen, um ihre Seelen mit meiner zu verschmelzen.
Für diesen einen magischen Moment, das hätte ich schwören können, sahen die Sonnenstrahlen aus wie Bänder aus purem Gold.
Landgut im Veneto, einige Jahre später
Elena heiratete mich, aber ich musste ihr versprechen, sie nicht mit etwaigen künftigen Kindern aufs Land abzuschieben, um ungestört in der Stadt eine glänzende Karriere als Autor machen zu können. Das fand ich sehr vernünftig, weil ich nichts gegen das Landleben hatte, im Gegenteil. So kam es,dass wir beide aufs Land zogen, zusammen mit den Kindern, die schon sieben Monate nach unserer Hochzeit geboren wurden. Ursprünglich wollten wir nur einen Sommer auf Onkel Vittores altem Landgut verbringen, aber dann schlugen wir dort Wurzeln.
Henry schrieb in einem Brief aus London, ich solle es als Schicksalswink betrachten, dass ich, genau wie sein Freund Will, in so jungem Alter Vater von Zwillingen geworden sei, das sei ein eindeutiger Fingerzeig auf unsere gemeinsame Berufung. Elena warnte mich allerdings davor, es so auszulegen, zu Recht, wie ich letztlich fand. Zum einen hatte ich nicht das geringste Verlangen, von irgendwem Krähe genannt zu werden, zum anderen konnte ich mir ein Leben ohne sie und die beiden kleinen Racker nicht vorstellen. Auch Giovanni war der Meinung, dass meine Zwillinge nichts mit künstlerischer Veranlagung zu tun hätten, sondern höchstens mit Vererbung, was man schon daran sehe, dass sie rote Haare hätten, wie ihre Mutter, und dass es zwei Brüder seien, so wie er und ich. Er selbst wurde allerdings nur Vater eines Sohnes, doch er meinte, das nächtliche Geschrei reiche ihm in einfacher Ausführung vollauf.
Hin und wieder kommen Adelina und er mit dem Kleinen zu Besuch, dann herrscht immer gewaltiger Radau bei uns in der Einöde, und Paulina, die sich zu diesen Anlässen von Pater Anselmo freigeben lässt, kommt kaum mit dem Kochen nach. Allerdings bekocht sie uns eher aus Anhänglichkeit, nicht etwa, weil es uns an Gesinde gemangelt hätte – erwähnte ich schon den immensen Reichtum meiner Gattin? Mein eigenes Erbe, das ich nach meiner Heirat antreten durfte, nahm sich gegen den märchenhaften Gewinn, den Baldassarres Schiffspapiere abwarfen, fast bescheiden aus. Angesichts des unerwarteten Vermögenszuwachses leistete ich es mir, dem Kloster eine Orgel zu stiften. Und Giovanni unter die Arme zu greifen, die Compagnia unserer Familie wieder in Schwung zu bringen.
Gelegentlich erreicht mich Post von Iseppo. Nach einem einjährigen Gastspiel in Venedig zogen die Incomparabili wieder durch andere Städte, mit wachsendem Ruhm und erweitert um mehrere neue Mitglieder, als jüngstes unter ihnen Franceschinas Sohn. Iseppo schrieb, der Kleine sei sozusagen das Kind der ganzen Truppe, er habe nicht nur zwei Väter und eine Mutter, sondern auch mehrere Onkel und Tanten, wobei Iseppo allerdings offen ließ, wer welche Rolle bekleidete.
Nach der Lektüre solcher Briefe überlegen Elena und ich bisweilen, ob es nicht eine nette Abwechslung sei, ebenfalls mit den Incomparabili auf Reisen zu gehen, und sei es nur, um mein Stück noch einmal zu sehen. Doch ihr fehlt
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