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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Schließlich fuhr er fort, seine Stimme eine flache Linie.
    »Sie wartete, bis er nicht mehr schrie. Dann rief sie die Feuerwehr, ging hinaus und sah zu, wie es brannte. Als die Feuerwehr kam, stand sie draußen und sagte, ihre Mutter sei vielleicht noch am Leben. Sie fanden sie unter dem Schlafzimmerfenster, und mehr als siebzig Prozent ihrer Körperoberfläche waren verbrannt. Und sie war ziemlich übel zerschnitten, weil sie durch die Glasscheibe gesprungen war. Als die Polizei kam, berichtete die Kleine, was sie getan hatte. Sie log nicht, genoss es aber auch nicht. Es heißt, sie habe keine einzige Träne vergossen. Der Pfleger wusste nicht, ob sie vor Gericht gestellt wurde, aber der Staat schickte sie in eine geschlossene Anstalt. Sie war vier Jahre in Dorothea Dix, doch zum Zeitpunkt der Tat war sie minderjährig. Mit achtzehn wurde sie deshalb freigelassen und nach Charter Hills überwiesen, und da hat sie Jean kennengelernt.«
    »Das ist erst drei Jahre her.«
    »Sie ist noch jung.«
    »Sie sieht nicht so aus.«
    »Sie hat ein hartes Leben hinter sich, ganz unbestreitbar. Das lässt einen Menschen altern.«
    »Haben Sie Mitleid mit ihr?«, fragte ich.
    »Überhaupt nicht«, sagte Hank. »Der Pfleger konnte mir nicht sagen, was da abgegangen war, bevor sie ihren Vater umbrachte. Sie muss einen Grund gehabt haben, und es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was es war.« Ich spürte, dass er die Achseln zuckte. »Ich habe eine Schwäche für Pechvögel.« Er beließ es dabei. Ich wusste keine Einzelheiten, nur, dass Hanks Kindheit kein Zuckerschlecken gewesen war.
    Das Schweigen dehnte sich in die Länge. Autos überholten uns.
    »Das war's?«, fragte ich. »Das ist alles, was wir wissen?«
    »Ich habe versucht, eine Kopie ihrer Akte zu kaufen, doch so weit wollte der Typ nicht gehen. Er sagte, Tratschen sei eine Sache, Unterlagen klauen eine andere. Aber er war sich dessen, was er mir erzählt hat, ziemlich sicher. Er sagte, bei den Mitarbeitern sei es allgemein bekannt.«
    Hank warf einen Blick in den Rückspiegel und überholte einen Pick-up. Einer der Scheinwerfer war kaputt, und so sah es aus, als zwinkerte er uns zu, als wir vorbeifuhren. Ich sah das Schild, das die Interstate 85 ankündigte, und wir schwiegen, bis wir die 1-40 verlassen hatten und südwärts fuhren, zu Jean und der Frau, die die Geheimnisse ihrer gewalttätigen Vergangenheit so gut gehütet hatte.
    Hank griff in die Hosentasche und reichte mir zwei der Hundert-Dollar-Scheine. »War nur einer nötig.«
    »Und das ist alles?«
    »Im Grunde ja.«
    Ich spürte, dass er zögerte. »Was heißt >im Grunde    Wieder zuckte Hank die Achseln. »Der Typ hatte Angst vor ihr.«
    »Vor Alex?«
    »Alex. Virginia. Er sagte, alle hätten ziemliche Angst vor ihr gehabt.«
    »Alle außer Jean«, sagte ich.
    Ich fühlte seinen Blick, der mich im Dunkeln taxierte. »Außer Jean«, bestätigte er schließlich. »Jean hat sie geliebt.«
    Ich nickte stumm, und dann sah ich Hank an. Da war ein Unterton in seiner Stimme gewesen.
    »Gibt's was, das Sie mir nicht erzählen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Nur noch eine Sache, die ich in Charter Hills gehört habe.«
    »Nämlich?«
    Achselzucken. »Was da einer gesagt hat. Auch ein Stationspfleger, einer von denen, mit denen ich neulich geredet habe. Ich habe ihn nach Jean und Alex gefragt, und da ist mir was im Gedächtnis geblieben. Er sagte, Jean habe sie geliebt, wie ein Prediger seinen Gott liebt.« Er wandte den Blick von der Straße. »Das waren seine Worte, nicht meine.«
    Ich sah die beiden zusammen vor mir.
    Ein Prediger und sein Gott. Gehorsam. Unterwerfung.
    »Könnte sie sie wirklich so sehr lieben?«
    »Wer zum Teufel weiß das schon? Ich habe so was noch nie erlebt.« Es klang wehmütig. Ich schwieg lange Zeit, und auch Hank hing seinen eigenen Gedanken nach.
    »Glauben Sie, Alex könnte meinen Vater umgebracht haben?«
    »Angenommen, dass Sie es nicht waren.«
    »Sehr witzig.« Ich lachte nicht.
    »Wissen Sie, wo sie in der Nacht war, als Ezra loszog, um sich erschießen zu lassen?«
    »Nein.«
    »Hatte sie einen Grund, sich seinen Tod zu wünschen?«
    Ich dachte an Ezra und an seine hartnäckige Verachtung für Alex. Ich sah den Streit zwischen ihm und Jean an dem Abend, als alles den Bach runterging. Bei dem Streit war es um Alex gegangen. Ezra hatte versucht, die beiden gewaltsam zu trennen. »Sie hatte einen Grund«, sagte ich. »Und vor sieben Jahren hat sie ihren Vater in

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