Der König der Lügen
seinem Bett gebraten.«
Ich nickte. »Es wäre wohl möglich.«
»Na, bitte.«
NEUNUNDZWANZIG
E s war nach Mitternacht, als wir wieder nach Salisbury kamen. In der Stadt war es still; nur wenige Autos waren unterwegs, und noch weniger Lichter brannten in den Häusern. Ich fühlte mich wie ein Geist, als wir wispernd durch die Stille glitten. Sogar Hank wirkte bedrückt, und ich vermutete, dass er die Vorstellung von dem, was Alex getan hatte, ebenso wenig loswurde wie ich.
Hank hielt in meiner Einfahrt, und ich stieg aus und ging um den Wagen herum zu seinem Fenster. Er ließ es herunter.
»Hören Sie, Hank, ich bin Ihnen wirklich dankbar für das, was Sie getan haben. Es bedeutet mir eine Menge.«
»Sie kriegen eine Rechnung«, antwortete er.
»Schicken Sie sie lieber bald«, sagte ich.
»Sie kommen nicht wieder ins Gefängnis, Work. Wir wissen beide, wie die Sache ausgehen wird. Alex ist Ihr Mann. Gehen Sie mit dem, was wir herausgefunden haben, zu Mills; sie soll es überprüfen.«
»Vielleicht. Mal sehen.« Ich musste zuerst mit Jean sprechen. »Hören Sie, was die Rechnung angeht...«
»Die wird groß werden.«
»Größer, als Sie glauben«, sagte ich.
Er beäugte mich. »Wie meinen Sie das?«
Ich legte die Hände auf die Fensterkante und beugte mich hinunter. »Sie müssen jemanden für mich suchen. Es ist wichtig.«
»Ihre Freundin?«
»Sie heißt Vanessa Stolen. Sie wissen, wo sie wohnt. Ich muss sie finden. Ich muss mit ihr reden. Ich muss ...« Meine Stimme versagte und kam dann zurück. »Ich brauche sie einfach.«
Sie war tot — diese Überzeugung überwältigte mich. »Sie geht niemals so weg.« Das war das Letzte, was der große Farmarbeiter mir gesagt hatte, dort neben dem Traktor auf der Stolen Farm. »Nicht, ohne für ihre Tiere vorzusorgen. Sie würde sie niemals unversorgt lassen.«
»Und was ist mit Ihnen?«, hatte ich gefragt.
»Ich arbeite bloß hier, Mister. Wenn ich mich um was kümmern soll, während sie weg ist, ruft sie immer an. Ich habe meinen eigenen Betrieb zu versorgen. Das weiß sie.«
Im Geiste hatte ich sie zusammen gesehen, ihren Körper voller Leben unter seinen schweren, schwieligen Händen. Ich hatte geglaubt, sie habe sich ihm geschenkt, und dieses Geschenk habe den letzten, den besten Teil von mir getötet.
»Finden Sie sie einfach, Hank. Es gibt noch Dinge, die gesagt werden müssen.«
»Was wissen Sie sonst noch über sie? Irgendwas, das mir helfen könnte, sie zu finden. Verwandte, Freunde. Wohin sie gehen könnte. So was.«
»Sie hat keine Familie. Sie ist die Letzte. Ich weiß nicht, ob sie Freunde hat, und soweit ich weiß, verlässt sie die Farm nur selten, um woanders hinzugehen. Die Farm ist ihr Leben.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Unmittelbar vor meiner Verhaftung.«
»Ich frag's ungern«, sagte Hank. »Aber könnte es sein, dass sie nicht gefunden werden möchte? Manchmal kommen Leute an diesen Punkt, Work. Manchmal müssen wir einfach für ein Weilchen verschwinden.« Er schaute weg, als könnte er seinen Gedanken sonst nicht vollenden. »Sie sind verheiratet. Sie wurden wegen Mordes verhaftet. Vielleicht war die Affäre es nicht mehr wert. Vielleicht war ihr der Preis zu hoch.«
»So war es nicht«, sagte ich. »Versuchen Sie nicht, es so darzustellen.«
»Nehmen Sie es nicht krumm, Mann. Ich sehe so was dauernd. Ich musste danach fragen.«
»So war es nicht.«
Hank nickte nur; er sah mich immer noch nicht an, und zwischen uns dehnte sich ein betretenes Schweigen. Er sah auf die Uhr. »Es ist spät. Ich fahre nach Hause. Aber morgen werde ich Ihre verschwundene Freundin suchen, okay? Ich werde sie finden.«
»Sie sind ein guter Mann, Hank. Ich danke Ihnen.«
»Ich rufe Sie an.«
Er drehte das Fenster hoch und fuhr weg, und erst jetzt sah ich, dass Barbaras Wagen nicht da war. Ich kam in ein leeres Haus und fand wieder einen von ihren Briefen auf der Küchentheke. Sie war über Nacht bei Glena.
Ich war zu aufgedreht zum Schlafen, denn es erschien mir immer wahrscheinlicher, dass Alex für Ezras Tod verantwortlich war. Sie hatte ihren eigenen Vater ermordet. Warum nicht auch meinen? Aber hinter dieser Geschichte steckte noch mehr, und ich wollte alles wissen. Ich musste. Ich spürte, dass da noch ein Puzzlesteinchen fehlte. Wenn ich es hätte, und wenn Hank Vanessa gefunden hätte, würde ich zu Mills gehen. Aber nicht vorher.
Ich schaltete meinen Computer ein und suchte in den Weißen Seiten für East Bend, North
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