Der König der Lügen
und gab ihm, was er haben wollte. Er rollte das Blatt zusammen und hob es grüßend. »Bricht das Eis«, sagte er. »Unentbehrlich in diesem Geschäft.«
Steif setzte ich mich auf den Stuhl und blickte Hank nach, als er kühn durch die Tür ging, die nur für Mitarbeiter bestimmt war. Er sah sich nicht um, und als die Tür zuschwang, hatte sie ihn verschlungen.
Ich lehnte mich zurück, schlug die Zeitung auf und starrte auf die Wörter, die vor meinen Augen verschwammen. Wenn jemand vorbeiging, versuchte ich normal auszusehen, als gehörte ich hierher, aber es war schwer, denn in meinen wirbelnden Gedanken war ich ein Verbrecher.
Nach meiner Uhr saß ich nur fünfundfünfzig Minuten lang dort. Die Uhr log. Es war ein ganzes Leben.
Immer wieder schwang die blaue Tür auf. Beim ersten Mal kam ein Schwarzer heraus, dann eine Weiße mit einem dicken Mann, der kein bisschen aussah wie Hank Robins. Noch eine Frau. Zwei Männer. Ein endloser Strom, und alle trugen sie Namensschilder. Wieder und wieder schwang die Tür weit auf, und jedes Mal spannte sich die Feder in mir ein wenig fester. Hank war erwischt worden. Er kam nicht zurück.
Dann sah ich ihn — in dem kurzen Moment, als die Tür sich hinter einem alten Mann mit einem Putzeimer schloss. Er war auf dem Rückweg, und als die Tür sich das nächste Mal öffnete, tat sie es für ihn. Er lächelte nicht, aber in seinem Blick sah ich wilde Befriedigung. Er nahm mich beim Arm, bevor ich ein Wort sagen konnte, dann gingen wir zurück. Unsere Schritte klangen laut auf den harten Fliesen und durch die hallenden Flure, die Arterien dieses Hauses.
»War nicht so schlimm, oder?«, fragte er in einem so normalen Ton, dass ich überrascht war. Ich hatte ein Flüstern erwartet.
»Haben Sie es?« Ich meinte die Antwort auf unsere Frage. Die Wildheit wanderte von seinen Augen zu seinem Mund, und er lächelte. »O ja. Ich hab's.«
Am liebsten hätte ich es aus ihm herausgeschüttelt.
»Und?«
»Es ist ein Knaller.«
Wir gingen weiter, und das Schweigen brachte mich fast um, aber irgendwann waren wir bei seinem Wagen. Hank setzte sich ans Steuer, startete den Motor und drückte den Verriegelungsknopf an der Tür herunter. Noch immer hatte er kein Wort gesagt. Er setzte rückwärts aus der Parklücke und navigierte uns durch das Meer von Autos. Dann sah er mich an. »Schnallen Sie sich an«, sagte er.
»Verarschen Sie mich?«, fragte ich. »Denn das ist kein guter Augenblick.« Er antwortete nicht, hielt den Blick fest auf die Straße gerichtet.
»Ich versuche nur, meine Gedanken auf die Reihe zu bringen, Work. Es gibt eine Menge zu erzählen, und ich muss mir überlegen, wie ich es am besten anfange. Ich möchte nicht, dass Sie gleich ausrasten.«
»Wenn Sie so weitermachen, raste ich aber gleich aus.«
Er ließ sich dennoch nicht drängen; er schwieg, bis wir auf der Interstate 4o waren und genau neun Meilen schneller als erlaubt in Richtung Westen fuhren.
»Haben Sie je von East Bend gehört?«, fragte er schließlich. »Kann sein. Ich glaube, ja.«
»Ist ein kleines Kaff. Ganz hübsch, mit Pferden. Liegt am Yadkin River, nicht weit von Winston-Salem.«
Scheinwerferlicht blitzte über den Mittelstreifen herüber und beleuchtete Hanks Gesicht, unbekannte Autos, gefahren von namenlosen Menschen. In den dunklen Intervallen war sein Gesicht ein verschwommenes Profil. Er drehte sich um und sah mich an.
»Sie sollten irgendwann mal hinfahren. Am Fluss ist ein kleiner Weinberg ...«
»Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Sie mich hinhalten?«
Er sah mich wieder an, und das Scheinwerferlicht erfüllte den Wagen. »Alex kommt von dort. Sie ist da aufgewachsen. Die ersten vierzehn Jahre jedenfalls.«
»Und?«
»Hören Sie, Work ... die Details sind skizzenhaft. Ich habe nur das, was der Pfleger mir erzählt hat, und gekaufte Informationen sind nicht immer verlässlich. Ich habe nichts davon verifizieren können.«
»Okay. Ich entbinde Sie von der Verantwortung für die Konsequenzen potentieller Fehlinformationen. Erzählen Sie mir einfach, was Sie gehört haben.«
»Sie hat ihren Vater umgebracht, Work. Sie hat ihn mit Handschellen ans Bett gefesselt und angezündet.«
»Was?«
»Sie war vierzehn. Ihre Mutter war auch in dem Bett, aber sie hat überlebt. Sie hatte es auf ihren Daddy abgesehen.« Er schwieg kurz. »Und sie hat ihn erwischt. Hat ihn im Bett gebraten.«
Ich spürte Hanks Blick; er versuchte meine Reaktion einzuschätzen, aber da war keine.
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