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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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sagte, sie habe es verstanden, Hank habe ihr alles erzählt — vom Gefängnis, und dass ich mich opfern wollte. Sie sagte, sie liebe mich auch, aber sie wisse, dass sie niemals lebenslänglich für mich ins Gefängnis gehen könnte. Deshalb sei ich besser als sie, doch auch das ergab keinen Sinn. Ich war in der Hölle, aber es war eine Hölle, die ich mir selbst geschaffen hatte. Das versuchte ich ihr zu erklären, nur wollte sich meine Kehle nicht öffnen. Also schaute ich schweigend zu und wartete darauf, dass der Schacht mich wieder verschluckte.
    Einmal glaubte ich Vanessa zu sehen, aber das war der grausamste Scherz dieser Hölle, und ich fiel nicht darauf herein. Ich schloss die Augen und weinte um sie, und als ich wieder aufblickte, war sie verschwunden. Ich war allein in kalter Dunkelheit. Die Kälte schien ewig zu dauern, doch irgendwann fand mich die Hitze, damit ich mich erinnerte. Ich war in der Hölle. Die Hölle war heiß, nicht kalt. Und die Hölle war Schmerz, und als ich aufwachte und der Schmerz fast weg war, glaubte ich, der Traum sei wieder da. Ich öffnete die Augen, aber da war kein Kind, kein Feld und keine Vanessa. Vielleicht waren die Qualen an diesem Ort mehr als nur körperliche.
    Als ich schließlich erwachte, blinzelte ich in der kühlen Luft und hörte das Rascheln einer Bewegung, und als ein Gesicht über mir erschien, war ich darauf vorbereitet. Anfangs war es verschwommen, dann schärfte sich langsam mein Blick. Es war Jean.
    »Ganz ruhig«, sagte sie. »Alles in Ordnung. Du wirst wieder gesund.«
    Ein Fremder tauchte neben ihr auf, der Mann im weißen Kittel. Er hatte ein dunkles Gesicht, und sein Bart glänzte wie eingeölt. »Mein Name ist Dr. Yuseph«, sagte er. »Wie fühlen Sie sich ?«
    »Durstig.« Ein trockenes Krächzen. »Schwach.« Ich konnte den Kopf nicht heben.
    Der Arzt sah Jean an. »Sie können ihm einen Eissplitter in den Mund geben, aber nur einen. Und dann noch einen in ungefähr zehn Minuten.«
    Ein Löffel klirrte, und Jean beugte sich über mich. Sie schob mir ein Stück Eis in den Mund. »Danke«, flüsterte ich. Sie lächelte, doch es war ein schmerzliches Lächeln.
    »Wie lange?«, fragte ich.
    »Vier Tage«, antwortete der Arzt. »Immer wieder bewusstlos. Sie haben Glück, dass Sie noch leben.«
    Vier Tage.
    Er tätschelte meinen Arm. »Sie kommen wieder auf die Beine. Es wird mühsam werden, aber Sie schaffen es. Sie bekommen festes Essen, sobald Sie sich dazu in der Lage fühlen. Wenn Sie Ihre Kräfte wiedergefunden haben, fangen wir mit der Physiotherapie an. Nicht lange, und Sie sind wieder draußen.«
    »Wo bin ich?«
    »Im Baptist Hospital. In Winston-Salem.«
    »Was ist mit Barbara?«, fragte ich.
    »Ihre Schwester wird Ihnen alles erzählen, was Sie wissen wollen. Lassen Sie es langsam angehen. Ich komme in einer Stunde wieder.« Er wandte sich an Jean. »Strengen Sie ihn nicht an. Er wird noch eine Weile schwach sein.«
    Jean erschien wieder am Bettrand. Ihr Gesicht war angeschwollen, die Haut um ihre Augen dunkel wie Wein. »Du siehst müde aus«, sagte ich.
    Sie lächelte matt. »Du auch.«
    »War ein anstrengendes Jahr«, sagte ich, und sie lachte und wandte sich ab. Als sie sich wieder umdrehte, weinte sie.
    »Es tut mir so leid, Work.« Ihre Stimme brach, und die Scherben schienen sie zu zerschneiden. Ihr Gesicht lief rot an, ihre Augen schlossen sich. Aus dem Weinen wurde ein Schluchzen.
    »Was tut dir leid?«
    »Alles«, sagte sie, und ich wusste, dass sie damit flehentlich um Verzeihung bat. »Dass ich dich gehasst habe.« Sie ließ den Kopf sinken, und ich griff mit gewaltiger Anstrengung nach ihrer Hand und versuchte sie zu drücken.
    »Mir tut es auch leid«, flüsterte ich. Ich wollte noch mehr sagen, aber meine Kehle schloss sich wieder, und lange Zeit war nichts als bittersüßes Schweigen zwischen uns. Sie hielt meine Hand mit beiden Händen umklammert, und ich starrte auf ihren Scheitel. Wir konnten nicht mehr dahin zurück, wo wir zusammen gewesen waren; dieser Garten war zugewuchert. Aber als ich sie so anschaute, fühlte ich mich unserer Kindheit so nah wie nie. Und ihr ging es genauso — als hätten wir noch einmal eine vergangene Zeit berührt, in der Entschuldigungen etwas bedeuteten und ein einfaches Wort genügte, um sich wieder zu vertragen. Ich sah es in ihren Augen, als sie aufblickte.
    »Hast du die vielen Blumen gesehen?«, fragte sie mit einem schüchternen, spröden Lächeln.
    Ich schaute an ihr vorbei und sah zum

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