Der König der Lügen
Pistole fuhr wieder hoch, und Barbara schrie: »Dieses Miststück wollte mir mein Geld stehlen!«
Mir ging ein furchtbares Licht auf. »Was hast du mit ihr gemacht?«
»Du wolltest mich verlassen. Das hast du selbst gesagt.«
»Aber das hatte nichts mit ihr zu tun, Barbara. Es ging um uns.«
»Sie war unser Problem.«
»Wo ist sie, Barbara?«
»Sie ist weg. Alles andere ist egal.«
Ich spürte, wie in mir etwas zerriss. Vanessa war der einzige Grund zum Leben, den ich noch hatte. Also sagte ich, was ich dachte.
»Ich habe oft genug mit dir geschlafen, um zu wissen, wann du mir etwas vorspielst.« Jetzt trat ich auf sie zu. Mein Leben war vorbei. Ich hatte nichts mehr. Diese Frau hatte mir alles genommen, und ich ließ meinem Zorn freien Lauf. Ich deutete auf den Bildschirm; er war tot, aber im Geiste sah ich sie immer noch, und ich hörte sie schreien. »Es hat dir gefallen. Du hast gern mit ihm getickt. War er so gut? Oder gefiel dir nur der Gedanke, mich zu verletzen?«
Barbara lachte und richtete die Pistole auf mich. »Oh. Jetzt bist du ein Mann. Jetzt bist du ein harter Bursche. Na, dann will ich dir was sagen. Jawohl, es hat mir gefallen. Ezra wusste, was er wollte, und er wusste, wie er es bekam. Er hatte Macht. Ich rede nicht von Stärke. Ich rede von Macht. Ihn zu ficken, war der größte Kick, den ich jemals erlebt habe.« Ihre Oberlippe kräuselte sich. »Danach zu dir nach Hause zu kommen, war ein Witz.«
Ich sah etwas in ihrem Gesicht, und mir ging noch ein Licht auf. »Er hat dich abserviert«, sagte ich. »Er hat gern mit dir geschlafen, weil er die Macht dazu hatte. Er hat dich beherrscht und manipuliert, doch dann hat er gemerkt, dass es dir gefiel, und da wurde es ihm langweilig. Also hat er dich abserviert. Und darum hast du ihn erschossen.«
Ich hatte recht. Ich wusste, dass ich recht hatte. Ich sah es in ihren Augen und am Zucken ihrer Lippen. Einen Augenblick lang empfand ich wilde Freude, aber sie war nicht von Dauer.
Ich sah, wie sie abdrückte.
VIERUNDDREISSIG
I ch träumte wieder von Zufriedenheit, von grünen Feldern, ich hörte das Lachen eines kleinen Mädchens, und Vanessas Wange schmiegte sich an meine. Aber Träume sind wankelmütige Betrüger, und sie dauern nicht lange. In einem letzten, flüchtigen Blick sah ich kornblumenblaue Augen, und ich hörte eine Stimme, so schwach, als wehte sie über die Meere zu mir heran, und dann schlug der Schmerz mit solcher Wildheit zu, dass ich wusste, ich war in der Hölle. Finger schoben meine Augenlider hoch, überall war rotes Licht und hämmerte auf die Welt ein. Hände rissen an meinen Kleidern, und ich fühlte Metall auf meiner Haut. Ich wehrte mich, aber knochenweiße Finger zwangen mich nieder und fesselten mich. Leere Gesichter erschienen und verschwanden flackernd, sie schwebten und sprachen eine Sprache, die ich nicht verstand. Dann waren sie fort, nur um gleich wieder 2urückzukehren. Und der Schmerz hörte nicht auf, er pulsierte wie mein Blut und durchströmte mich. Wieder packten mich Hände, und ich versuchte zu schreien.
Dann fühlte ich Bewegung und sah einen Himmel aus weißem Metall, der hin und her schaukelte, als wäre ich auf See. Ich sah ein Gesicht, das mir verhasst geworden war, aber Mills quälte mich nicht weiter. Ihre Lippen bewegten sich, doch ich konnte nicht antworten. Ich verstand nichts. Dann war sie weg, gerade als ich es doch verstanden hatte. Ich wusste die Antwort. Blutige Hände drängten sie zurück, bis sie sie von sich stieß, den Raum über mir fand und sich in meine Worte hineinbeugte. Ich musste schreien, denn ich war in einem tiefen Schacht und fiel immer schneller. Also tat ich es. Ich schrie, doch ihr Gesicht schoss endlos hinauf in den weißen Himmel, und ich fiel in das tintenschwarze Pulver am Grund des Schachts. Und in meinem letzten Gedanken, bevor die Dunkelheit mich umhüllte, wunderte ich mich über einen weißen Himmel in der Hölle.
Selbst in dieser Finsternis schien Zeit zu vergehen, und gelegentlich sah ich Licht. Der Schmerz schwoll an und ab wie Ebbe und Flut, und wenn er schwach war, träumte ich Stimmen und Gesichter. Ich hörte, wie Hank Robins mit Detective Mills diskutierte, und ich spürte, dass sie mir weitere Fragen stellen wollte, aber das ergab keinen Sinn. Dann Dr. Stokes, alt vor Sorge. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand und sprach mit einem Fremden im weißen Kittel. Und einmal war Jean da und weinte so heftig, dass der Anblick mich fast umbrachte. Sie
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