Der König der Narren
an von eigenen Händen verliert, was m an liebt, und verfluchte uns.«
Von dem N i chts hatte Gerjo bereits gehört, nicht weil es schon in ihr Land gekom m en w ä re, sonde r n weil vor kurzem ein G esandter der Kindlichen Kaiserin die Sass a f r anier besucht und um Hilfe bei seiner Suche gebeten habe.
»Er trug den Glanz«, berichtete Gerjo in ehrfürchtigem Tonfall,
»und natürlich hätten wir ihm gerne b e igestanden, aber es gab nichts, was wir für ihn tun konnten, also zog er weiter. Die Kunde, die er brachte, war bitt e r. W usstet Ihr, da s s dieses Ni c hts nur e ine der Gefahren ist, die Phantá s ien bedrohen? Die Kindliche Kaiserin ist krank, das hat uns ihr Gesandter erzählt. Nie m and weiß, was ihr fehlt oder wie m a n es heilen kann. Nun zie h t er durch ganz Phantásien auf der Suche nach einem Mittel gegen ihre Krankheit und gegen das Nichts.«
Ihre W orte trafen Res tief. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie es sich nicht eingestanden, aber die H offnung, die Kindliche Kaiserin könnte helfen, wenn Kunla und sei n e F a m ilie sie nur rechtzeitig erreichten, die Gewissheit, dass ihre eigene Reise nicht die einzige Möglichkeit war, um Siridom vor der drohenden Gefahr zu bewahren, all das hatte ihr S tärke ve r lie he n und geholfen. Ungeachtet ihrer trotzigen Worte, m an müsse sich selber retten, war es beruhigend zu wissen, dass noch andere Chancen zur Rettung bestanden. Dass die Kindliche Kaise r in n i c h t wusste, wie m an der Gefahr zu begegnen hatte, war schlimm genug. Dass sie krank war, traf Res wie ein furchtbarer Schlag. Sie war wie j e des andere Wesen in Phantásien m it der Gewissheit g r o ß geworden, die Kindli c he Kaiserin sei ewig. Ihr Das e in war einfach selb s t verständlich und gab jeder m ann seine Kraft. Es war undenkbar, dass sie eines Tages nicht m ehr da sein könnte.
Sie näherten sich ei ne m riedgedeckten Heidehäuschen aus getrockneten Leh m ziegeln, in d e m Gerjo und Lavan lebten. Vor d e m Haus standen m ehrere Ballen blauer W ollblüten, in Netze verpackt, m it großen Blättern ab g edeckt und abholbereit. Unwillkürlich fragte sich Res, ob je wie d er ein Tross ei n t reffen würde, um sie zu hole n , oder ob alle Trosse so versch w unden sein würden wie der von Lesterfeld. Ihre Augen brannten. Sie schluckte und spürte wieder das Salz der T r änen, die sie nicht weinte, in ihrem M und.
Um sich abzulenken, fragte sie Gerjo, ob es sich bei ihrem grauhaarigen Mann m öglicherweise um einen Sassa f r anier handele. Das schien ihr eine gute Erklärung für das seltsa m e Verhalten ihres Schützlings zu sein; w enn er in W i rklichkeit noch ein Kind war, wunderte es sie nicht m ehr, wie unvernünftig er sich benah m .
Gerjo schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Keiner von uns hat schwarze H aare oder solche Augen. Außerdem, wäre er einer der unsrigen, dann könnte er bereits allein in die F elder gehen und benäh m e sich viel vernünftiger.«
Ihr Sohn hatte im m er wieder ver s ucht, eine Unterhaltung m it dem Mann anzuknüpfen. Obwohl Res und G e rjo ein paar Schritte hinter den beiden liefen und m it gesenkten Stim m en sprachen, schien der Grauhaarige genau zu w issen, dass von ihm die Rede war. E r drehte sich um und nickte, dann rief er fröhlich:
»Sterne sc he inen zur M i ttagszeit!«
»Nein, ich fürchte, der bleibt s o«, schloss Gerjo. Sie öffn e te die Tür zu ihrem Haus und hieß jeder m ann, einzutreten und sich zu setzen. Statt Stühlen besaß sie Sessel, d i e aus Sackleinen besta n den und m it W ollblu m en ausgestopft waren. Man sank fö r m lich hinein. Es war ein sehr angenehmes Gefühl. An der W a nd hing ein Teppich, den Res m it Kennerblick sofort a l s ein W erk aus Siridom einordnete. Als sie näher trat, e r kannte sie das Meisterzeichen von Penelo, der Großtante ihrer Mutter: ein Kleebl a tt, unauffällig in die Girlande gewebt, die als Außenmuster dient e . Die F a r b en waren b ereits e i n wenig verblasst; es handelte sich um ein altes Stück, das längst nicht so gut geschützt wurde wie die Teppiche im Arachnion. Res starrte auf die schlangenlinienför m igen Muster am Rand und e m pfand einen Stich, der sich verdächtig nach Heimweh anfühlte. Sie v er s tand sich selbst n i cht. Sie hatte sich immer gewünscht, a u f Abenteuer zu gehen und m ehr im Leben zu tun zu haben, als Teppiche zu weben.
Am linken u nteren Eck wies der T e ppich, m itt e n in d e r Ge s talt e ines Borkentrolls, einen feinen, aber
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