Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
seinen hübschen Kammerzofen bislang nur Befriedigung gefunden hatte, ohne daß sein Geist noch sein Herz berührt waren, war im Handumdrehen von der schönsten und feinsten der Mazarinetten, Maria Mancini, betört. Und die Dinge entwickelten sich so zügig, daß die Königin und Mazarin voll Sorge mit ansahen, wie der heißblütige junge König Bälle gab, auf denen er nur mit ihr tanzte. Schöne Leserin, Sie ahnen es bereits, ein König von Frankreich heiratet nicht die Nichte eines Kardinals. Eine solche Mesalliance wäre aller Welt zum Spott.
Man beeilte sich also, das Mädchen mit dem Prinzen von Carignan zu vermählen, der mit der französischen Königsfamilie verwandt war. Am Hof hieß es hierauf, daß es gewiß märchenhaft gewesen wäre, den König zu heiraten, wenn aber ein zu großer Abstand der Ränge zwischen Pierrot und Pierrette dies verbiete, grenze es für eine Italienerin immer noch an ein Wunder, einen französischen Prinzen zu bekommen.
Es lag auf der Hand, daß die Liebe zum
gentil sesso
dem König so tief in Herz und Leib saß, daß es, um heimlichen Ehen vorzubeugen, das beste war, ihn schnellstens offiziell zu verehelichen. Die Königin und Mazarin entschieden sich für die spanische Infantin und eröffneten es deren Vater, Philipp IV. Schließlich drängte sich diese Wahl auf, Frankreich und Spanien waren die führenden Reiche in Europa, und der Krieg zwischen ihnen nahm kein Ende. Man durfte also hoffen, daß eine Eheschließung zwischen beiden Königshäusern Ludwig XIV. und Philipp IV. von Spanien zu dem langersehnten Frieden führen werde, den keiner der beiden in seinem Dünkel dem anderen anzutragen wagte.
Leider fand Philipp IV., obwohl er den Heiratsplan guthieß, er sollte Frankreich ein wenig zappeln lassen. Und so hielt der Spanier Ludwig und Mazarin hin. Um ihm Druck zu machen, gaben diese vor, eine Tochter der Herzogin von Savoyen zu bevorzugen. Eile war geboten, denn Ludwig hatte inzwischen von der Brünetten zur Blonden gewechselt und sich Hals über Kopf in Mademoiselle de La Motte Argencourt, eine Ehrenjungfer der Königin, verliebt. Endlich befahl die Königin den König in ihre Gemächer, schalt ihn heftig und sagte ihm tränenden Auges und wogenden Busens, daß diese Liebe hoffnungslos sei. »Von den Pfaden der Unschuld und Tugend abzuweichen«, sprachsie, »ist von Übel.« Sie schien vergessen zu haben, daß sie selbst dazu beigetragen hatte, als sie dem Sohn die Borgnesse ins Bett legte. Ludwig gab nicht so leicht auf, doch die Königin, so gutherzig sie war, konnte auch Zynismus an den Tag legen, um ihre Ziele zu erreichen, und behauptete, Mademoiselle de La Motte Argencourt habe einen anderen Liebhaber, was nicht zutraf. Und als Ludwig das bezweifelte, steckte sie das arme Mädchen in ein Kloster. Um ihr Leben zu retten, war die Schöne so klug zu erklären, sie sei vollkommen zufrieden im Kloster. So wurde sie nach der Vermählung des Königs befreit und kehrte, reich an Gebeten und Enttäuschungen, in die Gesellschaft zurück.
Im Grund wünschte Philipp IV. von Spanien glühend, daß Ludwig XIV. seine Tochter heirate, denn auch er wollte Frieden, reichte doch alles amerikanische Gold nicht mehr aus, diesen ewigen Krieg zu bezahlen. Nur um seinem anmaßenden und dünkelvollen Wesen zu genügen, ließ er den König von Frankreich auf seine Zusage warten, um ihm zu zeigen, daß er, wenn nicht größer, so mindestens ebenso groß sei wie er.
Entrüstet, auf so unziemliche Weise behandelt zu werden, wollte Ludwig die Verhandlungen schon abbrechen, Kardinal Mazarin jedoch ersann eine geschickte Strategie zur Beschleunigung der Dinge. In Lyon arrangierte er eine Begegnung des Königs mit seiner Cousine Marguerite Yolande, Tochter der Herzogin von Savoyen. Das Mädchen war brünett, wohlgestalt und lieblich. Sie gefiel Ludwig, er ließ sich auf das Spiel ein und zeigte sich oft mit ihr. Und schon machte, vom Kardinal ermutigt, in Europa das Gerücht einer Heirat mit der Savoyer Base die Runde. Philipp IV. hörte es, brach, seine Hinhalterei vergessend, in seine üblichen Wutanfälle aus und schrie:
»Esto no puede ser, y no será.«
1
Doch wenn er glaubte, er sei Herr der Lage, irrte er sehr. Es stand nicht in seiner Macht, jene Verbindung, die er nicht wollte, zu verhindern, und als er nach allem Toben zur Vernunft kam, schickte er den Marqués Antonio Alonzo Pimentel nach Lyon. Der Marqués überbrachte Ludwig in gehöriger Form einen ebenso dringlichen wie
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