Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Ihre leicht schlammige Mündung beginnt bei Béhobie, und dort liegt auch die erwähnte Fasaneninsel, auf der Frankreich und Spanien nach erbitterten Kriegen ihre Friedensverträge unterzeichneten und ihre Kinder verheirateten.
Leid ist es mir um den Frieden wahrlich nicht – auch wenn er zwischen diesen beiden Reichen nie sehr lange dauerte –, sondern um das endgültige Exil der Prinzessinnen, ob Französin oder Spanierin, und natürlich auch, daß sie nie um ihre Meinung befragt wurden, daß man sie auf dem Schachbrett wie Bauern von einem Feld zum anderen schob, wie es den Interessen der Könige, ihrer Brüder oder Väter, am dienlichsten schien.
Denken Sie nur daran, wie in dem Band meiner Memoiren
Das Königskind
diese grausame Trennung nichts wie Seufzen und Schluchzen war zwischen Ludwig und seiner jüngeren Schwester Elisabeth, die an der Bidassoa dem Prinz von Asturien übergeben wurde, einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte, dessen Sprache sie nicht einmal kannte und der ihr Gemahl fürs Leben werden sollte.
Schöne Leserin, darf ich jetzt einen Hoffnungsschimmer in Ihren schönen Augen wecken? Ein einziges Mal erlaubte ein Krieg einer Exilierten, ihre Familie wiederzusehen. Als nämlich Ludwig XIII. Savoyen besiegte und in Susa einzog, traf er sich nicht nur mit dem Herzog von Savoyen, sondern auch mit seinem Schwager, dem Fürsten von Piemont, und auf inständigstes Drängen seiner Schwester auch die Fürstin von Piemont, die ihm zu Ehren sich prächtig gekleidet hatte. Zuerst machte sie vor ihrem Bruder einen schönen Kniefall, den er mit einer tiefen Verneigung erwiderte, und dann fielen sie einander in die Arme und umhalsten sich mit aller Innigkeit. Manche von uns fanden das unzulässig, doch Monsieur de Guron sagte weise: »Das Protokoll ist für den König da, und nicht der König für das Protokoll.«
Glauben Sie nun aber nicht, daß allein die Prinzessinnen unglücklich über diese blinden Eheschließungen waren, die ja stark einer Lotterie glichen. Auch die Prinzen und Könige heiratetenUnbekannte, und ihre Enttäuschung bei der Hochzeit konnte nicht weniger tief und bitter sein.
Es besteht kein Zweifel, daß Ludwig XIV. genauso empfand, als er zum erstenmal Marie-Thérèse begegnete. Man hatte ihm gesagt, die Infantin sei wunderschön. Leider war daran nichts Wahres. Sie war sehr klein, hatte das vorspringende Habsburger Kinn, ziemlich schlechte Zähne, eine große Nase, eine sehr hohe Stirn. Und sie war nach spanischer Mode gekleidet, was schon alles sagt, wie eingerüstet nämlich in ein unter den Röcken verborgenes Metallgestänge, das sie zwar vor Stürmen schützte, dafür aber ihren Gang schwerfällig und plump machte. Was die Frisur anlangte, so bestand sie aus einem seltsamen Getürm von Bändern, Schleifen und Ohrgehängen, die, Gott weiß warum, ihren wahren Schatz versteckten, die reichen blonden Haare. Ich weiß nicht, ob ihre Suite bemerkt hatte, welche nachteilige Wirkung dieser Aufbau bei den Anwesenden auslöste, am Abend jedenfalls trug Marie-Thérèse eine weiße Haube, die sie aber nicht schöner machte.
Die Bidassoa war überquert, man kam nach Frankreich, und Gott sei Dank nahm Anna von Österreich, die einst ja denselben Schritt getan hatte, die Ärmste unter ihre Fittiche. Nun war es nicht so, daß Marie-Thérèse etwa sonderliches Gefallen an der französischen Kleidung gefunden hätte. Das enge Fischbeinmieder benahm ihr den Atem, sie fühlte sich wie erstickt, auch wenn es ihre Taille schlanker machte und vor allem ihre Brüste hob, die noch jugendlich, aber schön waren. Als große Belohnung für solche Drangsal und auch als große Neuheit war ihr Kleid mit Schmuck, Perlen und Edelsteinen übersät, etwas in Spanien gänzlich Unbekanntes. Nach dem abendlichen Souper in der Wohnung Anna von Österreichs, als die Schicksalsstunde nahte, geriet sie in Panik und sagte, in Tränen zerfließend, mit bebender Stimme:
»Es muy temprano«.
1 Dann kam man ihr melden, daß der König ausgekleidet sei, und ihr Ton änderte sich.
»Rápido! Rápido!«
sagte sie,
»el rey me espera.«
2
Man führte sie ins Brautgemach, man entkleidete sie, die Vorhänge wurden aufgetan und hinter dem Paar geschlossen.
Leser, Sie wissen ja nun, daß Ludwig in solchen Situationengar nicht nach seinem Vater kam. Ihn hatte man niemals gelehrt, daß die fleischliche Sünde geradewegs in die Hölle führe. Vielmehr waren ihm die Erwartung, das Fieber und die Tumulte der Liebe seit langem
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