Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Sie plötzlich so schüchtern wären? Bitte, fragen Sie!«
»Am Hof erzählt man, einmal habe die Frau Herzogin von Orbieu Sie dabei überrascht, wie Sie an Madame de Guéméné einen langen Brief schrieben. Da habe sie über diesen Ihr ganzes Tintenfaß ausgegossen.«
»Das ist völlig frei erfunden. Niemals hätte Catherine sich zu einer solchen Geste hinreißen lassen.«
»Monsieur, nun noch eine Frage zum Dreißigjährigen Krieg: Warum ging der Krieg weiter, nachdem der böhmische Aufstand niedergeschlagen war?«
»Daran war der religiöse Fanatismus des Kaisers Ferdinand schuld und seine offenen oder heimlichen Versuche, in Deutschland seine Hegemonie zu errichten. Er brachte nicht nur die deutschen Fürsten gegen sich auf, sondern auch Dänemark und Schweden, die ihn nacheinander, mit unterschiedlichem Schlachtenglück, angriffen. Ferdinand büßte dabei ebensoviel Geld wie Ansehen ein.
Währenddessen blieben seine Verbündeten, die Spanier der Niederlande, die über jene fabelhafte, sogar von Henri Quatre bewunderte Infanterie geboten und die das amerikanische Gold mit vollen Händen ausstreuten, für unser Königreich furchtbare Gegner, zumal die Grenze, die uns von den spanischen Niederlanden trennte, so lang und so schwach befestigt war.
Als ich einem unserer Marschälle gegenüber bemerkte, daß Ludwig sich dank der Besetzung Lothringens und des Elsaß’ im Osten verstärkt habe, daß aber der Norden leer ausgehe, erwiderte er mir mit kaum verhohlener Herablassung: ›Das mag wohl sein, aber um unsere Nordgrenze zu verstärken, brauchte man mehrere Goldmillionen und ein halbes Jahrhundert Festungsbau. Unsere solide Ostbefestigung schließt wenigstens aus, daß die Kaiserlichen uns in die Flanke fallen, wenn die Spanier unsere Nordgrenze überschreiten.‹
›Das Gute ist also nur halbgut‹, versetzte ich hierauf.
›Ich würde eher behaupten‹, sagte der Marschall, indem er hochmütig seinen Schnurrbart zwirbelte, ›es ist das halbe Übel.‹«
ZWEITES KAPITEL
Der Krieg bedrückte die Geister, noch bevor er in unser Leben einbrach. In meinem Haus in der Rue des Bourbons nahm der Kopfkissenplausch melancholische Farben an. Nicht daß unsere Stürme weniger stürmisch geworden wären, aber die darauf folgenden Windstillen, wenn einer sich in des anderen Arme schmiegte, waren nicht mehr so wohlig und froh. Catherine hegte die größten Sorgen, daß Ludwig mich zu gefahrvollen Missionen rufen werde, bei denen ich natürlich das Leben verlöre, so daß Emmanuel seines Vaters beraubt und sie eine untröstliche Witwe bis ans Ende ihrer Erdentage würde.
»Und warum? Warum?« fragte Catherine gequält. »Warum dieser Teufelskrieg? Weil Franzosen und Kaiserliche ihn unbedingt wollen, anstatt sich zu verständigen! Und nur, weil einer das Reich des anderen schnappen will.«
»Nein, meine Liebe«, versetzte ich lebhaft, »es geht darum, dem feindlichen Reich durch wohlbedachte Affronts die Zähne zu zeigen. Ludwig nimmt die kaiserliche Reichsstadt Speyer. Die spanischen Niederlande nehmen Trier und setzen den Erzbischof Philipp von Sötern gefangen, den Freund und Schutzbefohlenen des französischen Königs. Ein ebenso evidenter wie unverschämter
Casus belli
.«
»Was ist ein
Casus belli
, mein Lieber?« fragte Catherine.
»Das ist ein so unfreundliches Vorgehen eines Staates gegen einen anderen, daß es nach dem Ehrenkodex der Könige und der Königreiche Anlaß bietet, demjenigen Staat, der sich seiner schuldig gemacht hat, den Krieg zu erklären. Lange hat Ludwig Geduld und Vorsicht bewiesen. Zuerst forderte er die Spanier auf, den Erzbischof freizulassen, was diese so verächtlich ablehnten, daß die Weigerung fast genauso unverschämt war wie die Gefangennahme. Ludwig beriet sich mit Richelieu, dann erklärte er den Iberern in aller Form den Krieg, doch nicht ohne schreckliche Befürchtungen, weil er ja wußte, wie schlecht es um unsere Armeen bestellt und wie erschöpft unsereStaatskasse ist. Und war es denn nicht abzusehen, daß die Spanier die Kaiserlichen unterstützen würden, die uns nicht vergessen haben, daß der Herzog von Rohan sie aus dem Veltlin vertrieb? 1
Dahinter aber verbirgt sich ein ehrgeizigerer Grund. Weder die spanischen noch die österreichischen Habsburger haben den Traum von einer Universalmonarchie aufgegeben, denn nur sie würde ihnen ermöglichen, die protestantische Ketzerei mit Feuer und Schwert auszutilgen. Und welches Reich könnte als universell betrachtet
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