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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Tag wiederholt, und womöglich könnte das nun deutlich gesteigerte Medieninteresse ihrer Schauspielkarriere einen schönen, unverhofften Schub geben.
    Toni Karhan telefonierte mit dem glücklichen Bürgermeister und erklärte ihm, dass die wenigen Rattenhorden, die noch im Zentrum herumliefen, sich mit etwas Lenkung innerhalb von zwei bis drei Tagen auflösen und wieder über das ganze Stadtgebiet verteilen würden. Die friedliche Koexistenz von Mensch und Ratte sei bald wiederhergestellt. Das Gift im Alexa würde schnell wirken und die meisten Tiere zuverlässig dahinraffen. Noch in der Nacht könnte man die Schleusen öffnen. Die überlebenden Ratten würden flüchten, die Aufräumarbeiten könnten nach spätestens drei Tagen abgeschlossen sein. Allerdings, empfahl Toni später im RBB, würde es sicher nicht schaden, noch einen Tag zu lüften.
    Toni, Georg, Carola Markowitz und vor allem die beiden Adlers waren froh, dass sie das Geheimnis um Ratmaster Big und das Rattenlenkungssystem samt Mailumwegen über Korea nicht hatten preisgeben müssen. Es würde auch so schwer genug, den Betrieb Machallik zu führen. Und es war wirklich an der Zeit, Ralf Adler in die reale Welt zurückzuholen, was erheblich leichter war, wenn niemand von seiner zweiten Identität als Rattenmeister wusste.
    Der Bürgermeister blickte der großen Pressekonferenz am Abend freudig entgegen. Er würde sie zugleich nutzen, um seine Wahlkampfabschlussrede zu halten. Bescheiden und pflichtbewusst würde er sich geben – er habe nur die Stadt beschützt, wie es seine Aufgabe sei. Dr. Mierwald würde schon dafür sorgen, dass die Journalisten ihn als «Retter von Berlin» sahen, dass diese Formulierung wie von allein in Umlauf käme. Da hatte er volles Vertrauen in seine Beraterin. Ob er während seiner Rede schon rauchen sollte? Oder erst danach? Oder lieber gar nicht? So viele Fragen. Aber er war noch viel zu glücklich, um sich um Antworten zu scheren.
***
    Schnell schaltete sie die Gänge hoch und beschleunigte auf siebzig Stundenkilometer. Kurz vor der Klippe sprang die schwarzgekleidete Frau aus der Fahrertür und rollte sich gekonnt am Boden ab. Es gab keine Bremsspuren, und auch sonst deutete nichts darauf hin, dass an dieser Stelle jemals ein Auto in den See gerast war.
    Der alte Streifenwagen mit seiner Kofferraumfracht schoss über die Klippe. Sechs oder sieben Meter stürzte er hinab, dann senkte sich seine Schnauze, und er schlug mit einem lauten Klatscher auf dem Wasser auf. Wenige Augenblicke trieb der Wagen noch auf der Oberfläche, dann lief er voll und sank rasch. Er würde schnell den Grund erreichen, ziemlich schnell sogar. Sie hatten ihn entsprechend präpariert. Es würde reibungslos funktionieren, denn Fehler waren nicht tolerierbar und kamen bei den vier Damen deshalb nicht vor.
    Sie beobachteten, wie das Auto verschwand. Als nur noch ein Teil vom Heck zu sehen war, machten sie ein Foto. Für Dr. Kersting und fürs Archiv. Nun hatten sie ein paar freie Tage. Wahrscheinlich, wenn nichts dazwischenkam. Das war erfreulich. Etwas Entspannung und ein klein wenig Abstand vom Alltag würde ihnen allen guttun.
    Nur noch ein kleiner Strudel im Wasser, es war vollbracht.

D as sanfte Brummen in den Ohren war nicht mal unangenehm. Auch die leichte Vibration tat gut. Er fühlte sich wohl, behütet, sicher und warm. So hatte er es sich nicht vorgestellt. Eigentlich hatte er es sich nie wirklich vorgestellt, aber dass das, was er sich nicht vorgestellt hatte, sich nun so anfühlte, erstaunte ihn. Er hörte Musik. Sie war ihm sogar vertraut. «Amerika», ein Stück von Randy Newman, eines seiner liebsten. Aber mit deutschem Text, von einem deutschen Sänger. War das der Himmel? Wenn Randy Newman plötzlich in seiner Muttersprache sang?
    Ganz langsam öffnete er die Augen, nur einen Spalt. Brandenburg flog an ihm vorbei. Oder doch Niedersachsen? Er konnte es nicht unterscheiden. In jedem Fall war es Welt. Welt flog an ihm vorbei.
    Er saß in einem Auto. In einem komfortablen, bequemen Auto, das auch noch gut roch. Er war schon seit Ewigkeiten in keinem gutriechenden Auto mehr gefahren. Er war sich nicht einmal sicher, ob er jemals in einem gutriechenden Auto gesessen hatte. Ja, ob es überhaupt gutriechende Autos gab. Obwohl er ja jetzt in einem saß. Er bewegte seine Zunge, und da schoss ihm plötzlich eine beunruhigende Erinnerung durchs Hirn. Er ließ die Zunge durch den ganzen Mundraum wandern, hastig und doch ganz vorsichtig. Wo

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