Der König von Berlin (German Edition)
lässt einen Hoffnung womöglich weiterkämpfen. Das schafft auch eine sinnlose Büroklammer, besonders, wenn sie einem von einem alten, erfahrenen Hauptkommissar als letzte, bedeutungsschwangere Gabe überreicht wurde. Als Geheimwaffe sozusagen. Hätte genauso gut eine Kugelschreibermine sein können.»
Lanner schüttelte fassungslos den Kopf. «Und wo wir grad so schön dabei sind – verraten Sie mir auch, wie Sie an diesem bärbeißigen Pförtner vorbeigekommen sind?»
«Bei wem?»
«Na, bei diesem Höllenhund an Maschmanns Einfahrt.»
«Ach der.» Rimschow wurde wieder ernster. «Sie glauben gar nicht, wie viele Leute Ihnen nach einigen Jahren als Hauptkommissar Gefälligkeiten schulden. Zum Teil große Gefälligkeiten.» Er senkte die Stimme. «Stellen Sie sich nur mal vor, der Junge, der damals seinen brutalen Vater erschlagen hat, würde gar nicht in Tegel sitzen, sondern … Aber ich bin sicher, das wollen Sie sich gar nicht so genau vorstellen.»
Lanner sah wieder in die Landschaft und war von neuem verängstigt. Erzählte der alte Fuchs nur Geschichten, oder hatte auch er mehr dunkle Geheimnisse als vermutet? Dann nahm er das Telefon und wählte eine Nummer. Rimschow staunte nicht schlecht, wen er als Erstes anrief.
A ls Carsten Lanner und Walter Rimschow nach einer Zug- und anschließenden Taxifahrt endlich am Machallik-Büro eintrafen, waren dort schon fast alle versammelt. Carola Markowitz und Manfred Kolbe saßen in dem einen tiefen Ledersofa, Toni Karhan und Georg Wolters in dem anderen. Claire Matthes zog wie immer einen Stuhl vor, die meiste Zeit stand sie ohnehin. Es herrschte eine fast gelöste Stimmung. Toni und Georg hatten kleine Anekdoten aus ihrem Großeinsatz zum Besten gegeben, und Frau Matthes’ Schnittchen fanden reißenden Absatz. Auch Rimschow stürzte sich darauf, während Lanner lediglich um einen Kaffee bat, was alle, die sich ihm auf weniger als einen halben Meter näherten, wegen seines Mundgeruchs aufrichtig bedauerten.
Noch immer wummerte unbeirrt ein Generalbass durch Lanners Stammhirn, der ihm trotz der Außergewöhnlichkeit dieses und des vorherigen Tages mit absurder Beharrlichkeit die Aufnahme von Kohlenhydraten nach 18 Uhr madigmachte. Nun wartete der Kommissar nach der Begrüßung mit bemerkenswerter Geduld auf sein Heißgetränk, was Markowitz vermuten ließ, dass noch jemand käme. Rimschow, der sich mit vier in die Hand gestapelten Schnittchen in einen Sessel hatte plumpsen lassen, warf Kolbe einen vielsagenden Blick zu, der diesem einige Überraschungen verhieß, weshalb der dicke Spurensicherer fahriger, nervöser und vor allem stiller als gewöhnlich war.
Gerade als eine offenbar neue Sekretärin Lanner seinen Kaffee brachte, betrat Polizeipräsident Breissing das Bunkerbüro. «Ich hoffe mal sehr, mein Kommen wird sich lohnen. Ich habe den Bürgermeister stehenlassen wegen Ihrer angeblichen Dringlichkeit, Herr Lanner. Ich wünsche Ihnen wirklich, dass ich das nicht bereut haben werde müssen.»
Breissings Berliner Futur ließ Lanner lächeln. «Ich freue mich, dass Sie es einrichten konnten.» Er gab Georg ein Zeichen, worauf der sich zur Bunkertür bewegte, die sich nach ein paar Tastendrückern geräuschvoll schloss. Nachdem sie eingerastet war, wandte sich Lanner an die Runde: «Wir haben alles und alle hier, um nun den Fall Machallik aufzuklären. Diese Tür wird sich nicht öffnen, bevor der Mörder gefunden ist. Und der Mörder oder die Mörderin ist hier im Raum.» Wohlkalkuliert und genießerisch ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen.
«Also, ich glaub, der spinnt.» Polizeipräsident Breissing schien kurz davor, auf Lanner loszugehen. «Sind Sie bekloppt, uns hier einzusperren? In diesem Bunker? Wenn Ihnen das mal nicht schon bald sehr leidgetan haben wird!»
Lanner ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und entgegnete Breissing unbeeindruckt: «Sagen Sie, Sie waren doch auch mit Ihrer Frau bei dem Empfang, bei dem das neue Rattengift vorgestellt wurde.»
«Ja, und?»
«Ihr Sohn heißt doch Bernhard, wie Bernhard Klodt aus der Weltmeistermannschaft von 1954, oder?»
Breissing ballte die Faust. «Was hat das denn bitte mit dem Machallik-Fall zu tun?»
«Wussten Sie von Erwin Machalliks seltsamer Angewohnheit, was seine unehelichen Söhne betraf? Er hat die Frauen – oft die Ehefrauen von Freunden –, mit denen er ein Verhältnis hatte und die von ihm schwanger waren, dazu überredet, ihre Jungs nach den Mitgliedern der
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