Der König von Berlin (German Edition)
dieselben Regeln wie für die anderen. Nämlich die eigenen. Das Spiel beginnt jetzt neu, ob es Ihnen passt oder nicht. Ich finde übrigens Gefallen daran, an diesem neuen Spiel. So großen Gefallen, dass es mir selbst Angst macht.» Er schwieg kurz, um dann, ruhig auf die Straße blickend, mit sonorer Stimme zu schließen: «Sie können mich natürlich dafür festnehmen, dass ich Ihnen das Leben gerettet habe.»
Lanner nahm den deutschen Randy-Newman-Interpreten wieder wahr. «Anerkennung», sang er nun, «wir wollen doch alle nur ein kleines bisschen Anerkennung.» Ohne Regung sagte Lanner laut: «Danke.»
«Da nicht für.»
Lanner sah hinaus in die Welt, die vorbeiflog. «Wohin fahren wir eigentlich?»
«Nirgendwohin. Ich wollte nur so lange unterwegs sein, bis Sie wieder bei Sinnen sind, damit ich Sie nicht auch noch in den Zug tragen muss. Wir lassen den Wagen vor einem Regionalbahnhof stehen und fahren dann mit der Bahn zurück nach Berlin. Wir können ja schlecht mit Kerstings Luxusschleuder am Präsidium vorfahren. Das wäre dann doch ziemlich verdächtig, würde ich meinen.»
Lanner schlug schmunzelnd gegen die Scheibe. «Da ist was dran. Und was sage ich, wo mein Dienstwagen hin ist?»
«Ach Gott, die alte Schüssel. Sagen Sie einfach, Sie wären rumgefahren, und irgendwo in Brandenburg hätte man Ihnen den Wagen gestohlen.»
«Na, ganz großartig. Der dumme Dorfpolizist, der sich auch noch den Dienstwagen klauen lässt. Einen alten Streifenwagen. Wissen Sie, was ich da die nächsten Wochen an Scherzen über mich werde ergehen lassen müssen?»
Rimschow machte eine wegwerfende Handbewegung. «Ach, machen Sie sich doch um so was keinen Kopp. Die Tarnung als Trottel ist eine der raffiniertesten überhaupt. Solange man Sie hier noch für das dumme Huhn vom Land hält, können Sie Dingen nahekommen, die für mich außer Reichweite waren.»
Lanner registrierte erfreut, dass sich sein Kopf schon etwas besser anfühlte, und räkelte sich. Rimschow bemerkte die einsetzende Genesung. «Sagen Sie, wollen wir noch was essen gehen? Es gibt verdammt gute Landgasthäuser in Brandenburg. Auch mit Biofleisch. Aus Privatschlachtung.»
Dem Hauptkommissar wurde wieder schlecht. «Nein, nein, ich muss zurück in die Stadt. Ich habe noch einen Mord aufzuklären.»
Rimschow schlug verblüfft aufs Lenkrad. «Ach? Welchen denn?»
«Na, den an Machallik natürlich.»
«Ich denke, Maschmann hat gestanden.»
«Maschmann hat Machallik genauso wenig vergiftet wie die Söhne.»
«Sind Sie sicher?»
«Absolut sicher.»
«Warum?»
«Ein Detail, das bislang in allen Ermittlungen viel zu wenig, nein, eigentlich gar nicht beachtet wurde. Etwas, was auch die nicht ahnen, die jetzt glauben, sie hätten Machallik auf dem Gewissen.»
«Nämlich?»
Lanner lehnte sich zurück. «Machallik war zum Zeitpunkt seines Todes vollkommen nüchtern. Das war er ja nun wirklich selten genug. Aber in dem Moment, in dem er vergiftet wurde, hatte er keinen Tropfen Alkohol im Blut. Deshalb können all diese Leute, die ihm sein neues Super-Rattengift in den Wein, ins Bier, den Sekt oder Whiskey getan haben, nicht die Mörder sein. Man könnte sie höchstens wegen versuchten Mordes drankriegen, wenn überhaupt. Aber der wirkliche Mörder ist jemand anderes.»
Rimschow war beeindruckt. «Guck mal einer an, das Landei. Nicht schlecht. Und wissen Sie auch schon, wer es war?»
Lanner kniff die Augen zusammen. «Fast. Oder sagen wir, ich habe einen starken Verdacht. Und deshalb werde ich jetzt sämtliche Ermittler und alle, die ernsthaft als Täter in Frage kommen, ins Büro Machallik bestellen. Wir klären diesen verdammten Fall endlich auf.»
Rimschow zog die Brauen hoch, beschleunigte den Wagen und steuerte den Regionalbahnhof in Zossen an. «Das hier wird Ihnen bei Ihren Telefonaten vielleicht hilfreich sein», er griff in seine Sakkotasche und holte Lanners Smartphone heraus, «mit bestem Gruß von Dr. Kersting.»
Der wiederauferstandene Hauptkommissar sah ihn halb bewundernd, halb verängstigt an. «Eine Sache würde mich noch interessieren. Warum haben Sie mir eigentlich diese Büroklammer zugesteckt?»
Rimschow grinste. «Nur so. Damit Sie denken, Sie wären noch zusätzlich bewaffnet. So was gibt manchmal Hoffnung. Kann sehr wichtig sein, Hoffnung zu haben. Man denkt, immerhin ist da ja noch die Büroklammer. Die kann mir nützen. Auch wenn das natürlich Blödsinn ist, es sei denn, man wäre MacGyver oder James Bond. Und dennoch
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